AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
empfindlich kühl. Zuletzt stocherte er das Feuer im Kamin auf und vergewisserte sich, dass der Patriarch die Öllampe bequem löschen konnte.
Immer noch in die Betrachtung des Liebesreigens über sich versunken, begann der Patriarch:
»Nicht genug Platz - wir werden einfach alle Schwarzen von der Eröffnungsfeier ausschließen, was, Malateste? Die meisten haben bestimmt keine freien Vorfahren in dieser Stadt. Nur, was mach ich mit D’Ozairis? Der hat einen ordentlichen Batzen rausgerückt, sagt Berengar. Ach was, der darf. Wer schwarz ist, bestimme ich. Das gilt auch für Duquesne, außerdem ist der ja kein Zuschauer, sondern Hauptmann der Wache ...«
Er schwieg still und lag mit geschlossenen Augen. Nach einer Weile glaubte Malateste, er sei eingeschlafen und schlich auf Zehenspitzen zur Tür.
»Was die Loge angeht, Malateste, war das nicht ein guter Einfall von mir? Hast du es schon weitergetratscht?«
Der Kammerherr fuhr zusammen. »Du hast nicht gesagt, dass ich es nicht tun soll«, stotterte er, aber der Fürst unterbrach ihn.
»Nein, nein, es ist schon recht, alter Freund. Morgen werden es die Spatzen von den Dächern pfeifen, es wird allen noch mal was zum Schwatzen geben.«
»Wie du meinst, Cosmo. Schlaf jetzt.«
Malateste schloss leise die Tür hinter sich, das heisere Kichern des Patriarchen in den Ohren.
Während die Männerwelt der Großen Stadt mit dem Bau des Zirkus und den Eröffnungsspielen beschäftigt war, herrschte unter den Frauen eine nicht geringere Betriebsamkeit - von den Süßwarenhändlerinnen, deren Kessel ohne Unterbrechung siedeten, damit sie im Zirkus ihre klebrigen Köstlichkeiten anbieten konnten, bis zu den großen Damen, denen ihre Roben schlaflose Nächte bereiteten.
Dabei gab es für Frauen und Mädchen aus guter Familie kaum eine Möglichkeit, an den Eröffnungsspielen teilzunehmen: Alleine durften sie den Zirkus nicht betreten und die Hausherren ließen sich lieber von ihren Söhnen begleiten. Ohnehin galt der Besuch solcher Lustbarkeiten als unschicklich.
Doch auch bei den ärmeren Leuten, wo man es nicht so genau nahm, mussten viele Matronen zähneknirschend auf die nächsten Spiele hoffen. Wer unter den einfachen Mädchen einen Liebsten besaß, der eine der begehrten Tafeln errungen hatte, konnte sich glücklich schätzen, und mancher schiefmäulige, krummgewachsene Bursche erfreute sich mit einem Male ganz ungewohnter, schmeichelhafter Beliebtheit.
Nur wenige mussten sich keine Gedanken machen: die großen Hetären etwa, die einen Begleiter aus der Schar ihrer Verehrer aussuchen konnten. Sie fielen nicht unter das Verbot für die Betreiber eines unziemlichen Gewerbes, da sie nicht in den Bordellen lebten, sondern eigene, elegante Häuser führten, in denen der Geist ebenso verwöhnt wurde wie der Körper.
Einigen Damen verlieh ihr hoher Rang Anspruch auf einen Logenplatz und man erwartete von ihnen, dass sie ihn einnahmen. Sabeena Sasskatchevan wurde allgemein beneidet, da sie durch Herkunft und Heirat sogar Anrecht auf zwei Plätze hatte.
»Dabei legt sie nicht den geringsten Wert auf diese Ehre«, schmähte Thalia Sasskatchevan die Schwägerin vor ihren Freundinnen, »sie müsse stillen, behauptet sie. Mein närrischer Vater hat sie angefleht, aber erst nachdem er eine Amme besorgt hat, war sie bereit, mitzukommen. Unter der Bedingung, zu Beginn der Feier in der Loge ihrer Eltern zu sitzen und erst zu uns zu wechseln, wenn die Alten den Zirkus verlassen. Wir sind ihr immer noch nicht gut genug!«
Alle Frauen aber, ob Fürstin oder Bademädchen, beschäftigte die Frage, was sie an dem großen Tag am Leibe tragen sollten.
Die Lager der Tuchhändler waren leergeräumt. Schneider, Putzmacherinnen und Schuster machten das Geschäft ihres Lebens. Kein Angehöriger der Zunft konnte sich über einen Mangel an Aufträgen beklagen und die Näherinnen durften sich erst niederlegen, wenn ihre blutig gestochenen Finger die kostbaren Stoffe zu beschmutzen drohten. Die bedeutenden Schneider mussten Dutzende von Mädchen einstellen, um der Arbeit Herr zu werden.
Kayes Dienste waren begehrt wie eh und je. Ihm, der mit einem halben Dutzend Stoffballen sein heimatliches Bergkaff verlassen hatte, schwoll vor Stolz die schmale Brust, als Tag für Tag vornehme Kundinnen händeringend in seiner Werkstatt erschienen und ihn anflehten, sein Bestes zu geben. Doch seine Freude blieb nicht ungetrübt: Bei aller Unterwerfung unter sein Urteil mochten die Damen doch nicht allen
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