AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
seinen Ideen folgen und das kränkte seine Künsterseele empfindlich.
Wie Meister Violetes hatte nämlich auch er begonnen, sich dem Studium der Alten Zeit zu widmen und sich in die Mysterien des Gewandschnitts und des Faltenwurfs versenkt. Die schlichten Gewänder, die Schultern und Arme frei ließen und die Umrisse des Körpers sanft umfließend mehr enthüllten als die Mode der Neuen Zeit, hatten es ihm angetan. Der Anblick seiner schlaksigen Gestalt, die um die Statuen an den Prachtstraßen herumschlich, entlockte vielen ein Schmunzeln und böse Buben machten sich einen Spaß daraus, ihn hinter seinem Rücken nachzuäffen. Er hatte es nicht gemerkt, die spärlich bekleideten Figuren angestarrt und eifrig in sein Skizzenbuch gekritzelt.
»Sie waren großartig, die Alten«, schwärmte er Ninian vor, als sie ihn besuchte, »und uns weit überlegen. Ich hab versucht, diese Hemden nachzuschneidern und mich zuerst gefühlt wie der täppische Lehrjunge, der ich in der Werkstatt meines Vaters war - keine angenehme Erinnerung, wie du dir denken kannst. Außerdem gibt es keinen Stoff, der dünn, schmiegsam und gleichzeitig schwer genug ist, um in solche Falten zu fallen.«
Schließlich war ihm doch ein Fund geglückt. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, nicht abzuwarten, bis die Stoffe in den Regalen der Tuchhändler lagen, sondern selbst den Versteigerungen in den Handelshallen beizuwohnen. So war er zur Stelle gewesen, als drei große Ballen eines weichen, silbrig schimmernden Gewebes keinen Käufer gefunden hatten.
»Des kemmt davo, wenn ma sich von die frommen Schwestern beschwatze lässt«, brummte es neben Kaye, als die Gehilfen des Versteigerers die Ware forttrugen. Der Händler, ein typischer Dreiwagen-Mann mit wettergegerbtem Gesicht, sprach einen Dialekt, den er aus den heimischen Bergen kannte.
»Des wär was besonders Feines, ham’s gesagt, was Vornehmes, und ich Depp, hab’s den ganzen Weg von Obussong herg’schleppt ... und net amal auf Kommission!«
Kaye hatte die Ohren gespitzt. Seit Lady Sabeenas Rüge wegen seiner Unwissenheit, hatte er sich bemüht, mehr über die Weberin, die Schutzpatronin seines Handwerks, zu erfahren. Die Göttin musste ihm wohlgesonnen sein, da war es nur recht und billig, wenn er ihr huldigte. Und so hatte er von jenem Kloster in den Bergen gehört, Obusson, das ihr geweiht war, und von den geheimnisvollen Geweben, die dort entstanden. Er hatte sich die verschmähte Ware zeigen lassen und, nachdem er sie in den Händen gewogen und prüfend zwischen den Fingern gerieben hatte, einen günstigen Preis mit dem erleichterten Kaufmann ausgehandelt.
Geradezu in Verzückung war er geraten, als es ihm gelang, den Stoff so zu schneiden, dass das Ergebnis tatsächlich seinen Vorlagen nahekam. Die Nähmädchen hatten sich kichernd angestoßen, als ihr Herr, seine Fingerspitzen küssend im Saal herumgesprungen war, nachdem er das fertige Gewand an einer von ihnen drapiert hatte.
Die Begeisterung war schnell schal geworden, als niemand und schon gar nicht seine reichen Kundinnen sie teilen mochten. Die Damen rümpften die Nase - soweit sie das bei einem gestrengen Herrscher wie Kaye wagten - nicht nur wegen der unziemlichen Enthüllung der natürlichen Körperformen, die nicht jeder Dame schmeichelte, sondern vor allem wegen der Schlichtheit des Gewandes.
Es prunkte nicht mit leuchtenden Farben, üppigen Spitzen oder Gold- und Silberfäden. Danach aber verlangten sie, Pracht und Reichtum wollten sie im Zirkus zur Schau stellen. Eine wollte die andere mit dem Glanz edler Roben und funkelnder Juwelen übertrumpfen. Dagegen konnte selbst Kaye nichts ausrichten.
Missmutig lieferte er die üblichen stoffreichen, enggeschnürten Gewänder aus schwerem Brokat, überladen mit Schleifen und Bändern, an seine reichen Kundinnen und es tröstete ihn nur wenig, dass ihr Gold seine Truhen füllte.
»Nicht mal zum Essen und Schlafen komme ich«, klagte er Ninian sein Leid, »jede will einen eigenen Entwurf. Manchmal bereue ich es fast, mein Dorf verlassen zu haben!«
Er rieb sich die roten Augen und Ninian lachte.
»Das glaubst du selbst nicht, Kaye. Warum lehnst du die Aufträge nicht einfach ab?«
»Wie bitte?«, er warf sich entrüstet in die Brust, »ich habe einen Ruf zu verteidigen, meine Liebe. Ivo Laurentes schläft nicht! Er schneidert für die Fürstin und Thalia Sasskatchevan, man hört Unglaubliches von diesen Roben. Das verdrießt mich ungemein!«
Das einzige, was ihn
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