AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
geschminkte Gesicht, das ängstlich zu ihm aufsah, und entzog ihr sanft seinen Arm.
»Es ist nichts, Herrin, alles ist, wie es sein soll.«
Unterdessen war auch Wag aufmerksam geworden und als Jermyn die Verbindung zu Duquesne gelöst hatte, hörte er das laute Flüstern seines Gefolgsmannes.
»Was gibt’s, Patron? Was is mit Ninian los?«
»Nenn mich nicht Patron«, seufzte Jermyn, aber dann drehte er sich um und winkte Wag zu sich.
»Hör zu Wag, scheint so, als muss Kamante doch auf die Spiele verzichten. Bring sie hier raus, jetzt sofort, aber geht so, als habe ich euch mit einem kleinen Auftrag weggeschickt, ohne Aufsehen zu erregen. Sie schauen immer noch alle hierher.«
»A...aber wieso, Pa... Jermyn«, stammelte Wag, »was is denn?«
»Nichts weiter, Wag, nur der Zirkus wird gleich zusammenbrechen und als gutem Patron wäre es mir lieb, wenn meine geschätzten Gefolgsleute dann in Sicherheit sind.«
»Bist du krank, Patron?«
Wag starrte seinen Herrn fassungslos an.
»Tu was er sagt«, ließ sich Ninian vernehmen. Sie kauerte immer noch am Boden und sah mit wilden Augen auf. »Verschwindet so schnell wie möglich, sagt, dass ihr unwohl ist.«
Sie wies mit dem Kinn auf Kamantes Bauch, der selbst unter dem weiten Gewand deutlich sichtbar war.
»Geht jetzt, na los, verschwindet, aber unauffällig.«
Wag redete leise auf Kamante ein, die sich mit verstörtem Gesicht erhob und von ihm hinausführen ließ.
Jermyn und Ninian blieben allein zurück. Ninian richtete sich ein wenig auf.
»Sie müssen jetzt alle gehen, es wird dauern, bis der Zirkus leer ist. Wenn sie alle auf den Treppen sind ... der Druck wird sehr hoch sein. Ich weiß nicht, wie lange ich es aushalte, sie müssen sich beeilen.«
»Ich glaube, sie sind soweit, Dubaqi und Thybalt sind wieder auf ihre Posten gegangen, nur Nobilior ist noch in der Arena.«
Er schwieg und ließ seine Blicke über die bunte Menge lachender, schwatzender Menschen schweifen, die Reihe um Reihe das riesige Rund füllte, und durch den Schleier vor ihren Augen sah Ninian, wie sich seine Kehle krampfhaft auf und ab bewegte.
»Jermyn ...«
Er wandte den Kopf, in seinen schwarzen Augen stand Angst, aber er verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen.
»Bringen wir es hinter uns, Süße, das war’s mit der Auferstehung der alten Größe. Komm, ich muss mich an dir festhalten, sonst verlier ich mich, bevor ich alle erreicht habe. Wenn ich dich spüre, kann ich länger bei mir bleiben. Schau, der Alte zeigt auf die Tür. Jetzt ist es soweit.«
Alle Augen folgten dem ausgestreckten, purpurn leuchtenden Arm und hingen gebannt an dem Girlanden geschmückten Tor, keiner achtete mehr auf die beiden jungen Leute.
Jermyn half Ninian auf, die sich mühsam erhob und an die Rückwand der Loge stolperte. Sie stemmte sich mit beiden Händen gegen die Marmorverkleidung, ihre Hände versanken im Stein wie in weichem Lehm. Er trat hinter sie und umschlang sie fest mit beiden Armen.
»Ninian ...« er holte tief Atem und verbarg sein Gesicht in ihrer Halsbeuge.
»Ich will mich nicht verlieren, ich will zu dir zurückkommen«, murmelte er in den duftenden Stoff.
»Glaubst du ... ich lass dich ... so leicht los?«, keuchte sie. »Ich ... werd dich ... schon zurückrufen!«
Ihre Stimme klang harsch, aber sie tröstete ihn und noch einmal drückte er sie heftig an sich.
»Ja, denk an mich, immerzu. Ich gehe jetzt, Ninian.«
Babitt setzte die Flasche ab und wischte sich über den Mund.
»So, Freunde, jetzt fängt’s endlich an.«
Wie alle anderen Zuschauer rutschten er und seine beiden Gefährten auf die äußerste Kante der Steinstufe und starrten auf das geöffnete Tor, um den denkwürdigen Augenblick nicht zu verpassen, da der erste Schauspieler seit Hunderten von Jahren seinen Fuß in den Sandboden der Arena setzte.
Kaye versuchte zunächst, sein Gespräch mit Biberot fortzusetzen, als interessiere ihn der Einzug der Schauspieler nicht im geringsten. Man hatte nicht ihn mit dem Entwurf der Kostüme betraut, was konnte man da schon erwarten? Aber Bibi antwortete nur einsilbig und schielte über Kayes linke Schulter, bis Kayes berufliche Neugierde die Oberhand gewann und auch er sich erwartungsvoll dem Eingang zuwandte.
Der Ehrenwerte Fortunagra hatte das Buch geschlossen, in dem er auch während der Rede des Patriarchen geblättert hatte, und blickte sich gelangweilt um. Vielleicht verweilten seine Augen ein wenig länger auf der Loge seines rothaarigen
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