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AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian - Drittes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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worden waren und d’Ozairis zu seinem Ärger und zu ihrer Freude zum Patriarchen gerufen worden war. Den heutigen Tag ...
    Ninian schwindelte. Vor wenigen Tagen erst waren sie in den Handelshallen gewesen, aber ihre Erinnerung an die Steine war überlagert von den Wochen, die sie bei Tidis verbracht hatten. Sie schüttelte den Kopf, um sich von dem verwirrenden Netz der Gedanken zu befreien, und merkte, dass das Seil in ihren Händen ungeduldig zuckte.
    Schuldbewusst holte sie es ein, nahm den schweren Beutel ab und ließ es hinunter. Es ruckte erneut und wenig später stemmte Jermyn sich über die Brüstung. Er warf das Seil ab, umarmte sie erst stürmisch und schob sie dann ein Stück von sich weg.
    »Du hast wieder geträumt, gib’s zu, Weib«, sagte er streng. »Ich musste fast den Flaschenzug runterreißen, bevor du mich bemerkt hast.«
    »Das ist nicht wahr, du bist schuld, mit deiner Zeitverwirrung«, verteidigte sie sich halb ärgerlich, halb verlegen. Jermyn lachte.
    »Ist auch wurscht. Alles hat bestens geklappt. Das Zeug war noch nicht ausgepackt und die Schlösser an den Holzkisten sind ein Witz. Knots hätte sie mit einer Hand und verbundenen Augen geöffnet, selbst mir haben sie keine Mühe gemacht. Schau es dir an, ich räum zusammen.«
    Vorsichtig nahm er den Flaschenzug auseinander, wobei er sorgfältig darauf achtete, dass Metall nicht an Metall klang. Er löste das Seil, rollte es zusammen und verstaute es mit den Rollen im Beutel.
    »Er hat’s mit den Scherben, der Wichser«, sagte er über die Schulter, »beinah wär ich in eine Schnur gerannt, die er rund um den Raum gespannt hat, beklebt mit winzigen Glassplittern oder so was ähnlichem. Daran hätt ich mir die Kehle aufreißen können. Sie glitzerte im Mondschein, deshalb hab ich sie rechtzeitig gesehen. Erst wollt ich sie zerschneiden, aber dann dachte ich ...«
    »Jermyn!«
    Er drehte sich um.
    »Ja?«
    »Es ist alles falsch!«
    »Was?«
    Mit einem Schritt war er bei ihr. Sie hockte auf dem Dach, der Sack mit den Edelsteinen lag auf ihren Knien und auf ihren Handflächen funkelten die Juwelen, die Amon d’Ozairis so stolz hergezeigt hatte.
    Er ließ sich neben sie auf den Boden fallen.
    »Das kann nicht sein, du musst dich irren, Ninian!«
    Aber er wusste, dass sie recht hatte. Seit die schwarzen Diamanten im Brautdiadem der Castlerea zum ersten Mal unter ihren Händen in dunklem Feuer erglüht waren, hatte er immer wieder gesehen, wie das geheime Herz im Inneren eines kostbaren Juwels die Erdenmutter in ihr gegrüßt hatte. Je edler der Stein gewesen war, desto heller war die Flamme gewesen und nichts konnte weiter von diesem lebendigen Licht entfernt sein als das kalte, leblose Blinken der Kristallbröckchen in ihren Händen.
    »Verdammte Scheiße! Dann ist alles umsonst gewesen, so ein beschissener Betrüger, so ein Hundsfott ...«
    Rote Glut flammte aus den schwarzen Augen, die wütenden Worte hallten durch die Nacht.
    »Still! Es wird nicht besser, wenn sie uns entdecken.«
    Sie begegnete dem mörderischen Blick und ächzte, als ihr sein Ärger durch die Stirn schoss. Ruckartig drehte er den Kopf und der Schmerz ließ augenblicklich nach. Einen Moment lang rührte er sich nicht, dann tastete er nach ihrer Hand.
    »Es tut mir leid, verzeih mir.«
    »Es war nicht alles umsonst, Jermyn, sieh nur ...«
    Zwischen dem wertlosen Tand in ihrer Hand erblühte ein lichtgrüner Funke und wuchs, bis sein milder Schimmer wie das grüngoldene Licht der Frühlingswälder am Ouse-See auf ihren Gesichtern lag.
    Sie sahen sich an, und Jermyn dachte an den See, die haarsträubende Flussfahrt und an die Wochen bei Tidis. Sie waren glücklich gewesen.
    »Du hast recht, Liebste, es war nicht umsonst.«
    Seine Stimme klang sanft, aber in dem verblassenden Glanz des Steines sah sie sein schadenfrohes Lächeln.
    »Und ich weiß auch schon, wer dafür zahlen wird. D’Ozairis darf sich glücklich schätzen, dass er seine Sammlung von Fälschungen zurückbekommt - gegen ein geringes Entgelt, versteht sich - bevor die ganze Stadt erfährt, dass er sie an der Nase herumgeführt hat. Komm, schmeiß das Zeug in den Sack. Wir verschwinden!«

Erster Teil:
Der Schleier

Prolog
    Eine Nacht im Reifemond 1465 p.DC.
    Der letzte Schrei verhallte und eine Weile war nur angestrengtes, keuchendes Atmen in der Dunkelheit zu hören. Dann raschelten seidene Bettlaken, es knisterte und eine Kerze flammte mit bläulichen Funken auf. Phantastisch verzerrt tanzte der Schatten

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