AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
des jungen Mannes über die Bettvorhänge, als er sich zu der nackten Gestalt neben sich beugte. Eine Messerklinge blitzte, zwei schnelle Schnitte und die an den Bettpfosten gebundenen Arme der jungen Frau sanken herab. Sie setzte sich auf, streifte die Augenbinde ab und rieb sich die Handgelenke.
»Nächstes Mal bindest du sie nicht so fest, schau dir die Striemen an. Jetzt kann ich nur lange Ärmel tragen.«
Unmutig betrachtete sie die roten Streifen, die der Riemen auf der weißen Haut hinterlassen hatte.
Ihr Liebhaber lachte sorglos und streckte sich.
»Mach dir nichts draus, Süße, du magst das doch. ‚Fester, fester, zieh es fester ...‘, ich hab’s genau gehört.«
»Schweig, wir haben nicht mehr viel Zeit und ich wollte dir etwas erzählen. Ich brauche vielleicht deine Hilfe, aber versprich mir, dass du nicht darüber redest.«
»Du hast mein Wort. Was ist es? Kannst du dich nicht entscheiden, welche Farbe dein nächstes Ballkleid haben soll?«
»Narr! Es ist nicht zum Spaßen, gib acht.«
Eindringlich redete sie auf ihn ein, er lauschte mit geschlossenen Augen und unterdrückte ab und zu ein Gähnen. Als sie geendet hatte, fragte er träge: »Was soll der ganze Zauber? Was hast du davon?«
»Ich? Nun, sie wird mir zu Dank verpflichtet sein. Nach diesem Abenteuer kann sie es nicht mehr wagen, mir ihre Gunst zu entziehen. Und auch ihn habe ich in der Hand, was gewiss nützlich ist. Aber das Beste, weißt du«, sie entblößte scharfe, kleine Zähne in einem bösen Lachen, »das Beste ist, dass ich endlich meine Rache haben werde: Wenn er erfährt, wie sie ihn an der Nase herumgeführt und sich über ihn lustig gemacht hat, wie sie zusammen mit dem anderen über ihn gelacht hat ...«
»... wird selbst dieser weichherzige Trottel sie nicht mehr lieben, sondern hassen. Er wird seinen Vater dazu bringen, sie nicht länger zu schonen und Duquesne den Angriff auf ihren Schlupfwinkel zu befehlen. Sie werden gefangengenommen, vielleicht getötet, auf jeden Fall aber vertrieben und sie hat sich an beiden gerächt.«
Wort für Wort gab der junge Mann am Abend das Gespräch mit seiner Geliebten wider - im Gemach des Sehr Ehrenwerten Fortunagra. Er saß vertraulich auf der Kante des Schreibtischs und wählte eine kandierte Frucht aus der silbernen Schale, während sein Gönner die Fingerspitzen nachdenklich aneinanderlegte.
»Ein guter Plan, er könnte von mir stammen. Hilf ihr immerhin bei ihrem kleinen Spielchen, mein Lieber, und berichte mir, wie die Sache läuft. Wahrhaftig, das Dämchen wäre es wert, in mein Gefolge aufgenommen zu werden.« Er blickte in das hübsche, junge Gesicht über sich. »Es ist gut, dass du zu mir gekommen bist, mein Lieber, ich sehe, ich kann mich auf dich verlassen.«
Der junge Mann neigte dankend den Kopf. »Ich bin euer gehorsamer Diener, Patron.«
»Ich weiß, ich weiß«, der ältere ließ seine Finger sanft über den glatten Handrücken gleiten. »Komm, mein Kleiner, ich will dir etwas zeigen. Ich habe neulich ein paar exquisite Stiche erworben, wir wollen sie gemeinsam ansehen.«
Noch später, in den heimlichen Stunden vor Morgengrauen, sprach Fortunagra mit Magister Priam, dem einzigen Menschen, dem er vertraute.
»Dieses gierige kleine Luder! Wir hatten etwas anderes abgemacht und jetzt versucht sie, mich zu umgehen, damit sie mir nichts mehr schuldig ist. Aber ich habe schon meine Netze gesponnen, als sie noch in den Windeln lag!«
»Was hast du vor?«
»Dumme Frage, Gastone, ich werde mir das Ding selbst holen. Eine solche Kostbarkeit fehlt noch in meiner Sammlung, sie gehört nicht in Weiberhände. Außerdem, wie die kleine Bestie gesagt hat, habe ich alle drei damit in der Hand. Sie werden brav tun, was ich ihnen befehle, und nach meiner Pfeife tanzen - perfekt. Aber ich werde nicht meinen niedlichen Jüngling damit beauftragen, er steckt mir zuviel mit der kleinen Hure zusammen. Ich habe den Verdacht, er bewegt ein wenig zu gern seine flinke Zunge. Aber ich spiele den Ahnungslosen und werde mir von ihm die Neuigkeiten zutragen lassen. Wenn es soweit ist, schlage ich zu. Ich werde sie lehren, mich zu hintergehen!«
1. Kapitel
20. Tag des Hitzemondes 1465 p.DC., Mittag
Der Rat von Dea tagte seit der neunten Vormittagsstunde. Die Stimme des Redners dröhnte gewichtig und einschläfernd durch den Saal.
Cosmo Politanus, seit drei Jahrzehnten Herr über die Göttliche Stadt, umklammerte die reich geschnitzten Lehnen seines Stuhles und wartete mit
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