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AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian - Drittes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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Wedeln nach vorne und stieß sich kurz vor dem Absturz zu einem gewaltigen Sprung ab. Das Rauschen der zurückschnellenden Blätter, der dumpfe Schlag, mit dem seine weichen Sohlen auf die Mauer prallten, schienen Ninian erschreckend laut in der stillen Nacht, aber wie beim vorigen Mal - das es nie gegeben hat, schoss es ihr durch den Kopf - rührte sich nichts. Sie beobachtete, wie Jermyns dunkle Gestalt sich nach wenigen Zügen über die Brüstung schwang und wartete, bis die Kralle mit leisem Klappern vor der weißen Wand herabfiel. Dann lief sie zum Fuß des Turmes, hakte den Beutel mit der Ausrüstung fest und stand bald darauf schwer atmend neben Jermyn. Diesmal hatte sie kein Verlangen gespürt, die Meisterschaft zu bewundern, mit der vergessene Baumeister die Kristalle in die Wand eingefügt hatten.
    »Diese Scherben ...«, murmelte sie und Jermyn nickte grimmig.
    »Oh, ja«, flüsterte er, »du wirst keine Narben finden, aber ich erinnere mich sehr gut an LaPrixas Behandlung!«
    Sie errötete und streifte hastig die ledernen Handschuhe über, aber er achtete nicht mehr auf sie, sondern begann, den Flaschenzug aufzubauen. Als alles zu seiner Zufriedenheit gerichtet war, schlang er sich das Seil um die Brust und hängte sich den großzügig bemessenen Sack für die Beute um.
    »Alles klar, Ninian?«
    Ihre Blicke trafen sich, sie holte tief Atem und ergriff das Seil, das über die beiden Rollen lief.
    »Ja, du kannst dich auf mich verlassen.«
    Seine Zähne blitzten weiß unter der Kapuze.
    »Ich weiß, Süße. Und jetzt los, die d’Ozairis haben ihre Steinchen die längste Zeit gehabt.«
    Er kletterte über den niedrigen Mauerrand und ließ sich vorsichtig an der Wand hinunter, während Ninian ihm langsam Seil gab. Auch das hatten sie geübt und nie war es so erbärmlich schief gegangen wie ... wann? Damals? Heute? Mit einem Ruck riss sich Ninian aus den gefährlichen Grübeleien. Sie würde ihn nicht im Stich lassen.
    Und diesmal gelang es. Es ruckte zweimal lang und einmal kurz zum Zeichen, dass er sicher unten angekommen war. Sie ließ weiter Seil nach, bis es schlaff in ihren Händen lag, und richtete sich ein, auf das nächste Zeichen zu warten. Zuerst starrte sie mit beinahe schmerzhafter Aufmerksamkeit auf das Seil, aber als alles ruhig blieb, entspannte sie sich ein wenig und zum ersten Mal dachte sie an die prächtigen Steine, den Lohn für all die Mühe.
    Während des Frühjahrsmarktes in der letzten Woche des Blütemondes hatte einer der Edelsteinhändler in den Handelshallen seine Steinsammlung ausgestellt und sie prahlerisch als die prächtigste der Welt gepriesen. Das mochte Amon d’Ozairis nicht auf sich sitzen lassen. Eitelkeit und Stolz auf seine eigenen Juwelen hatten den Sieg über die Vorsicht davongetragen. In schwer bewachten, eisenbeschlagenen Truhen waren die herrlichsten seiner Schätze in die Hallen gebracht worden. Er selbst hatte sie mit seinem treu ergebenen Schatzmeister ausgepackt und unter den ehrfurchtsvollen Blicken der ganzen Goldschmiedegilde auf samtene Kissen gebettet.
    Dort hatten sie gelegen, wasserklar, meergrün, blutrot, blau wie der sommerliche Nachthimmel. Ein Schwarm winziger, aber makelloser Sterne auf schwarzem Samt, sonnengelbe Kristalle und weiße Steine, die buntes Feuer unter einem milchigen Nebel verbargen. Rundschliffe, auf deren glatten Flächen Sterne und Katzenaugen schwebten, und Minerale, so selten und ungewöhnlich, dass die Händler sich über ihre Namen stritten.
    Die vornehme Welt Deas defilierte an der Pracht vorbei und vergaß ihre Blasiertheit über den Kleinodien. Man staunte mit offenem Mund, die Damen bekamen glänzende Augen, ihr Atem ging schneller, die kostbaren Steine erregten sie, wie es ihren Gatten selten gelang.
    Selbst der Patriarch gab dem Drängen der Fürstin nach und ließ sich blicken. Kurz, Dea war bezaubert und Amon d’Ozairis nahm die Huldigungen entgegen, zufrieden auf den Zehen wippend, die kurzen Ärmchen auf dem Rücken verschränkt, und gewährte seinem zerknirschten Rivalen gnädig Verzeihung.
    Getarnt als junges, vornehmes Paar hatten Jermyn und Ninian die Juwelen betrachtet und den Entschluss gefasst, sie in ihren Besitz zu bringen. Sie wollten behalten, was Ninian gefiel, und für den Rest Käufer finden. Wie bekannt die Steine auch sein mochten - Sammler waren seltsame Geschöpfe und noch skrupelloser als Jermyn, wenn es um ihre Leidenschaft ging. Sie hatten den Tag gewählt, an dem die Juwelen zurückgebracht

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