AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
lassen, die Herausforderung hatte ihn nur in seiner Absicht bestärkt, diese Festung zu knacken.
Einige Tage vor dem geplanten Einbruch hatte Ninian Vitalonga harmlos nach der Bauweise in den südlichen Ländern gefragt und erfahren, dass die Mauer hinter den Kacheln aus Lehmziegeln bestand. In der Nacht vom 13. auf den 14. Tag waren sie losgezogen, um die Wand zu präparieren. Es war nicht schwer gewesen, Löcher in die Fugen zu bohren und sie mit einer dünnen Schicht aus Mörtel, den sie in einem Ledersack mit sich gebracht hatten, vor neugierigen Blicken zu verbergen. Da die Aktion außerhalb der Zeitschleife lag, waren die Löcher nicht verschwunden.
Jetzt tastete Jermyn in Kniehöhe nach dem ersten und als er es gefunden hatte, kratzte er den Mörtel weg und trieb einen dünnen Stahlstift hinein, für den er seinen Schmied gut bezahlte. Auf das Handwerkszeug musste man sich verlassen können.
Wie beim ersten Mal überwanden sie dieses Hindernis mit Hilfe der Stahlstifte ohne Schwierigkeiten.
Oben angelangt, setzte Jermyn sich rittlings auf die Mauer, schlang sich das Seil zweimal um den Leib und ließ es zu Ninian hinab. Sie band den Sack mit dem Flaschenzug und ihrer übrigen Ausrüstung daran, er zog ihn hoch und sie kletterte hinterher.
Auf der Mauerkrone wurde es eng, die misstrauischen d’Ozairis hatten sie dicht mit scharfkantigen Kachelscherben besetzen lassen. Aber auch dagegen hatte Jermyn vorgesorgt, indem er den restlichen Mörtel darüberschmierte. So war eine harte, glatte Fläche entstanden, auf der sie zu zweit gerade Platz fanden.
Der nächste Teil war nicht schwierig. Rasch hatten sie sich abgeseilt und eilten über den äußeren Hof, der wie erwartet, menschenleer war. Amon d’Ozairis verließ sich auf hohe Mauern und mörderisches Glas, um seinen Reichtum zu schützen.
»Der weiß, wie man die Groschen zusammenhält, das sparte ihm das Futtergeld für Wächter«, hatte Jermyn spöttisch bemerkt, als sie den Haushalt auskundschafteten. Wächter hätten sie nicht aufgehalten, aber es ersparte ihnen die Mühe, sie auszuschalten.
Der Palast, der auf vier Seiten den inneren Garten umgab, war zwar auch mit den glatten, glänzenden Kacheln verkleidet, aber hier hatten die d’Ozairis ihrer Prunksucht mit Reliefs, Säulchen und filigranem Gitterwerk derart freien Lauf gelassen, dass es ein Kinderspiel war, daran hochzuklettern.
Das Dach lag verlassen im blassen Mondlicht. In den Hochsommernächten hätte die ganze Familie ihr Lager hier aufgeschlagen, aber noch war es nicht heiß genug. Sie überquerten die buntgeflieste Fläche unbehelligt und ließen sich in den Garten hinab.
Fremdartige Pflanzen wuchsen hier, Bäume ohne Äste mit schlanken Stämmen und breiten, gefiederten Blattwedeln. Ein weißer Pavillion spiegelte sich in einem stillen, dunklen Teich. In der Mitte aber erhob sich der Turm vierzig Fuß hoch, glitzernd im blassen Mondlicht.
Sie schlichen auf eine Baumgruppe zu, die etwa zehn Fuß von dem Gebäude entfernt, in die Höhe ragte. Die Suche nach einem Zugang zu ebener Erde erübrigte sich - es gab keine Tür, ein unterirdischer Gang verband das Schatzhaus mit dem Palast, der Eingang dazu lag im Schlafzimmer von Amon d’Ozairis.
Als sie den Haushalt ausspioniert hatten, war es Ninian wieder einmal durch den Kopf gegangen, dass es Jermyn ein Leichtes wäre, alle Bewohner des Palastes in tiefen Schlaf zu versetzen und sich zu holen, was sie tragen konnten. Aber sie kannte ihn jetzt zu gut, um solche Gedanken auszusprechen. Es entsprach nicht seiner Vorstellung von einem gelungenen Einbruch.
Unter dem höchsten der drei Bäume legte er alles ab bis auf die Seilrolle mit der lederumwickelten Kralle. Er spuckte in die Hände, umklammerte den glatten Stamm und begann, sich daran hochzuziehen. Es war ein hartes Stück Arbeit, bis er die Krone erreicht hatte, die sich wenige Fuß unter der Mauerkrone ausbreitete. Wie bei ihrem ersten, missglückten Versuch ließ Ninian den angehaltenen Atem ausströmen, als er endlich zwischen den Blattwedeln hockte.
Aber noch gab es keinen Anlass zur Erleichterung. Er winkte ihr zu, dann beugte er sich auf seinem schwankenden Sitz vor, so weit er es wagte, wirbelte den Widerhaken ein paar Mal über seinem Kopf und schleuderte ihn über die niedrige Turmbekrönung. Er hatte diesen Wurf bis zum Überdruss in der Ruinenstadt geübt, gleich der erste Versuch gelang.
Als er sicher war, dass das Seil fest saß, rutschte er so auf den breiten
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