AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
jedoch, nicht zuletzt dank seiner Kunst, mit Eleganz und Würde zu tragen wusste. Ihre seidenen Röcke rauschten, als sie sich von dem zierlichen Sofa erhob und mit prüfendem Blick um die junge Frau herumging, vor der Kaye kniete.
»Ohne unseren Meister dürfte ich mich schon gar nicht mehr auf die Straße wagen.«
Wohlwollend tätschelte sie das bestickte Käppchen, mit dem er die lästige kahle Stelle auf seinem Scheitel bedeckte.
Sabeena lachte.
»Du übertreibst, wie gewöhnlich, Paola. Du siehst reizend aus und das weißt du auch. Außerdem lieben deine Kinder jeden Zoll von dir.«
Paola warf einen kurzen Blick in den großen Spiegel und lächelte selbstgefällig. »Nicht wahr? Und Francesco auch, darf ich behaupten.«
»Deshalb wächst ja dein Leibesumfang auch so stetig!«
Kaye spitzte die Ohren beim Klang der halb spöttischen, halb neidvollen Stimme.
Oho, Thalia Sasskatchevan, die als dritte in dem Boudoir ihrer Schwägerin weilte, war schlechter Laune, wie gewöhnlich. Es war wahrhaftig höchste Zeit, dass diese junge Frau einen Ehemann fand. Sie wurde allmählich sauer wie Milch, die zu lange in ihrem Hafen stand.
Als spüre sie, dass ihre Bemerkung unpassend war, sprach Thalia schnell weiter.
»Apropos Leibesumfang, Artos hat erzählt, dass der Patriarch gestern während der letzten Ratssitzung zusammengebrochen ist und fast gestorben wäre - das wird Isabeau einen schönen Schrecken eingejagt haben.«
Paola hob erstaunt die Augenbrauen.
»Was sagst du? Fast gestorben? Francesco sagte, er sei ein wenig unpässlich gewesen, zumal Bosco da Gama, dieser Langweiler, wieder einmal kein Ende gefunden hat. Alle waren erleichtert, als die Sitzung abgebrochen wurde, vom Sterben war nicht die Rede.«
Thalia zuckte die Schultern und erwiderte steif: »Ich sage nur, was ich von Artos gehört habe.«
Sabeena seufzte. »Er übertreibt, wie gewöhnlich. So schlimm wird es nicht gewesen sein, ich hätte es sonst von meinem Vater erfahren. Ach ja, höre, Kaye«, sie beugte sich ein wenig vor, »mein Vater sagte, der Ehrenwerte Herr de Berengar sei sehr zufrieden mit der jungen Person, die ich ihm durch dich vermitteln konnte.«
»Das freut mich, Herrin«, antwortete Kaye, der die Stecknadeln alle aufgebraucht hatte, »aber bitte, bewegt Euch nicht, sonst sieht es nachher aus, als sei ich betrunken gewesen, als ich diesen Saum festgesteckt habe.«
»Das wird gewiss nicht geschehen«, lachte Sabeena Sasskatchevan, »aber mach ihn nicht zu lang, ich möchte nicht in die Gefahr geraten, zu stolpern, wenn ich meine Kleine auf dem Arm habe.«
Der liebevolle Stolz in ihrer Stimme war nicht zu verkennen, und als Kaye nun wieder zu ihr aufsah, um ihr zu versichern, dass sie keinen Grund zur Klage haben würde, rührte das glückliche Leuchten ihres Gesichtes sein weiches Gemüt.
Die junge Lady Sasskatchevan war ihrem etwas törichten Ehemann zwar eine vorbildliche Hausfrau, aber innige Liebe empfand sie gewiss nicht für ihn. Die kleine Tochter dagegen schien sie von ganzem Herzen zu lieben und kümmerte sich mehr um sie, als es bei den großen Damen üblich war. Sie hatte nicht einmal eine Amme eingestellt, was Kopfschütteln und düstere Prophezeiung über den Verlust ihrer Schönheit hervorgerufen hatte. Doch unbeirrt stillte sie das Kind selbst und ihr blühendes Aussehen gab ihr recht. Keinen Augenblick schien sie zu bedauern, dass sie nicht den von zwei Häusern heißersehnten Erbe geboren hatte. Ihm sollte es nur recht sein, aus kleinen Mädchen wurden Kundinnen und dieses kleine Mädchen würde eines Tages märchenhaft reich sein.
Kaye erhob sich und betrachtete prüfend sein Werk. Der reichgefältelte, veilchenfarbene Stoff fiel schwer auf ihre Füße, durch die goldbestickte Kante würde er sich bei jedem Schritt in anmutigem Schwung bewegen. Der breite viereckige Ausschnitt betonte Sabeenas blendend weiße Haut, ohne ihr Schamgefühl zu verletzen, und bot Platz für die kostbare goldene Kette, die ihr der alte Sasskatchevan trotz seiner Enttäuschung zur Geburt des Enkelkindes geschenkt hatte.
Sie würde das Kleid tragen, wenn ihre Tochter im Tempel Aller Götter dem Schutz der Götter anbefohlen wurde und Kaye hatte sich geschworen, ihrer jungen, mütterlichen Würde gerecht zu werden.
Von seinen Besuchen in den anderen großen Häusern wusste er, dass nicht wenige Damen Sabeena herablassend belächelten. Ihre Sittsamkeit und ihre Weigerung, sich in den Kreis der eleganten Müßiggängerinnen
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