AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
einzureihen, gab viel Anlass zu Sticheleien. Sie überließen Haushalt und Kinder den Bediensteten und vertrieben sich die Zeit auf angenehme Weise in Begleitung kecker, junger Edelmänner bei Ausritten, am Kartentisch und auf Tanzgesellschaften. Sabeenas Verhalten empfanden sie als Vorwurf, einen Liebhaber hätten sie ihr dagegen großzügig nachgesehen. Ehen unter den Vornehmen wurden nicht aus Neigung geschlossen und nur selten entwickelte sich eine Verbindung so harmonisch wie bei Paola und Francesco d’Este, die denn auch mit sechs Kindern gesegnet waren.
Paola war die einzige der jüngeren Edelfrauen, an die Sabeena sich enger angeschlossen hatte, sie würde bei der kleinen Felicia Patin sein. Thalia hatte kein Verlangen danach, dieses Amt für ein Mädchen statt für den ersehnten Stammhalter zu übernehmen.
Kaye konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, während er den rechten Ärmel an dem golddurchwirkten Schulterband feststeckte. Es war nicht zu übersehen, dass Sabeena ihrer Schwägerin in der Familie Sasskatchevan den Rang ablief. Alle Bediensteten wandten sich an sie und er hatte im Haus des alten Sasskatch selbst gesehen, wie Thalia zu ihrer Schmach erleben musste, dass der Haushofmeister ihre Anweisung erst nach einem fragenden Blick auf Sabeena ausgeführt hatte.
Der alte Mann hielt große Stücke auf seine Schwiegertochter, es verging kaum ein Tag, an dem er sich nicht bei ihr blicken ließ, wie Kaye in der Gesindestube erfahren hatte. Sie kannte seine kleinen Vorlieben und in der Küche musste stets alles für das Wohlbefinden des mächtigen Kaufmanns bereitgehalten werden. Armenos Sasskatchevan dankte ihr die Bequemlichkeit, die er bei ihr genoss, mit großzügigen Geschenken.
Thalia aber schmollte. Kaye schielte zu ihr hinüber: herabgezogene Mundwinkel, gerunzelte Brauen - es kleidete sie nicht, so finster dreinzuschauen, solche Falten hinterließen Spuren und die Herren liebten keine griesgrämigen Damen ...
»Was für eine Pracht!« Paola hatte das hauchzarte, silberdurchwirkte Spitzengewebe aufgenommen, das als Schleier Sabeenas Haube bedecken und die zarten Glieder des Kindchens umhüllen würde. Sie wog es bewundernd in der Hand.
»Du weißt nicht, wie gut du es hast, Sabeena. Nur dein Schwiegervater kann es sich leisten, diese Spitzen in solchen Mengen zu kaufen. Von dem, was sie wert sind, könnte ich meine ganze Kinderschar einkleiden, stimmt es nicht, Kaye?«
»Ich weiß nicht Herrin«, der Schneider wiegte bedenklich den Kopf, »wenn ich daran denke, in welcher Geschwindigkeit Euer Ältester seine Anzüge zerreißt - und die Mädchen sind auch nicht besser.«
Paola lachte. »Du hast recht, ich sollte sie nur in Rupfen herumlaufen lassen, wie am Ouse-See. Wie gut, dass wir bald wieder hinausziehen, wir warten nur noch Felicias Darbringung ab. Aber ich beneide dich, Sabeena, viele Spitzen der d’Este sind mittlerweile so brüchig, dass wir kaum noch wagen, sie zu benutzen und an neue ist nicht zu denken. Jeder Kupferling muss in das Dach gesteckt werden, ihr glaubt nicht, wo es überall durchregnet!«
»Pah, habt euch doch nicht so wegen dieser Spitzen«, ließ sich Thalia von ihrem Diwan vernehmen. »Es gibt andere Gewebe, die wahrhaftig erstrebenswert wären. Ich wünschte, ich besäße einen Mondenschleier, damit würde man alle Spitzen und Brokate überstrahlen. Es heißt, er macht seine Trägerin schöner als jede andere sterbliche Frau, jede sieht in seinem Schimmer unwiderstehlich aus, wie eine Göttin ...«
»Ein Mondenschleier?« Kaye sah neugierig auf. »Was ist das? Wo kann man ihn erwerben? Das klingt nach einer Herausforderung.«
»Man kann einen Mondenschleier nicht erwerben«, erwiderte Sabeena ernst, »hast du dich nie im Tempel Aller Götter vor deiner Schutzpatronin, der Weberin, verneigt? Monden- und Sternenschleier sind den Göttern und den Herrschenden vorbehalten.«
Ohne auf den Einwand zu achten, schwärmte Thalia weiter. »Sie sind so selten, dass einem die Aufmerksamkeit aller gewiss wäre, jeder hergelaufene Emporkömmling trägt mittlerweile Samt und Seide!«
Kaye wurde sich seines exquisiten, mauvefarbenen Seidenwamses und der Beinlinge aus schwarzem Samt peinlich bewusst. »Sie hat es gerade nötig, die Urenkelin des Strandräubers«, dachte er vergrätzt, aber Thalia hatte endlich etwas gefunden, bei dem ihre Gefährtinnen nicht mitreden konnten.
»Die Damen bei Hofe begehren alle einen solchen Schleier«, schwatzte sie, »wir reden kaum
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