AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
auf kunstvoll gewickelte Turbane und silberbestickte Käppchen, kahlgeschorene Schädel und verfilzte, dunkle Haarwülste. Kaum ein Platz war unbesetzt.
Viele Gäste hielten Schläuche im Mund, die in bauchigen Gefäßen endeten, in denen es leise blubberte. Dünne Rauchfahnen strömten von ihren Lippen, stiegen unter die Decke und sammelten sich dort zu dichten Schwaden. Auf den meisten Tischen standen keine Weinbecher, sondern Kannen und winzige Tässchen. Dutzende dieser Gefäße blinkten in Regalen hinter dem Schanktisch und durch den Qualm stieg Jermyn der herbe, anregende Geruch des Kahwe in die Nase.
Der Schädel des Wirts glänzte unter der bunten Kappe wie seine Kannen, eine bösartiger Schmiss verzerrte seinen rechten Mundwinkel zu einem immerwährenden, schiefen Grinsen. Ein großer Teil der Kundschaft war dunkelhäutig wie er, von goldbraun bis ebenholzschwarz, einige hatten schmale Augenschlitze wie LaPrixas Torhüter.
Jermyn dachte an die Stadtwächter – Duquesne hatte auch das Fremdenviertel im Auge, vielleicht hielt er um seiner südländischen Abstammung willen die Hand über dem »Schwarzen Hahn«.
»Oi, Rotschopf!«
Er drehte sich um. Schräg gegenüber dem Eingang hockte eine Gruppe Einheimischer.
Einer winkte ihm zu, die anderen schwiegen mürrisch. Ihre Gesichter wirkten kränklich unter dem grünlichen Licht der Lampe.
»Los, komm schon her! Hast dir ganz schön Zeit gelassen, Roter. Hältst dich für was Besseres, dass de uns warten lässt?«
Jermyn zog wortlos den letzten freien Stuhl zurück und setzte sich, die schwarzen Augen unverwandt auf den Sprecher gerichtet. Das freche Grinsen des Mannes gefror, kleine Schweißperlen traten auf seine Stirn und er hob abwehrend die Hand.
»He, hey...hey, l...lass m...mich in Ruh, w...wir sin herbestellt, von Duquesne ...«
Jermyn achtete nicht auf das Gestammel, er gab den Mann frei und musterte die anderen.
»Damit wir uns recht verstehen«, sagte er kalt, »ich heiße weder Roter noch Rotschopf. Ich lege keinen Wert auf eure Bekanntschaft und wem irgendwas an mir nicht passt, der kann verschwinden. Ihr wisst alle, worum es geht. Also macht das Maul nur auf, wenn's was zu sagen gibt.«
Wenn er gehofft hatte, sie zu vergraulen, so wurde er enttäuscht. Sie murrten und schauten finster, aber sie blieben sitzen.
»Sie sind herbestellt und Duquesne zieht ihnen das Fell ab, wenn sie kneifen«, dachte er niedergeschlagen.
Der Geruch nach billigem Duftwasser und Schweiß ließ ihn aufsehen. Eine Frau mit schwarz bemalten Augen war an den Tisch getreten. Weite, tiefsitzende Hosen und eine kurze enge Jacke entblößten ihren schlaffen, vorquellenden Bauch. Blechmünzen klirrten leise in öligem, schwarzem Haar, als sie sich mit gekreuzten Armen verneigte.
»Womit kann ich Euch erfreuen, edler Herr?«, gurrte sie und einer aus der Runde lachte anzüglich. Jermyn beachtete ihn nicht. Wein wollte er nicht, er musste einen klaren Kopf behalten.
»Bring mir Kahwe«, befahl er und die Frau sah ihn verwundert an.
»Wollt ihr auch eine Bilha?«, fragte sie zögernd.
»Eine was?«
»Wasserpfeife.«
Sie zeigte auf die runde Flasche des Mannes am Nebentisch.
»Nein, keine Bilha«, sagte Jermyn entschieden, der süßliche Qualm widerte ihn an. Missmutig wandte er sich den Männern zu, die ihn verblüfft und lauernd beobachteten.
»Ich brauche einen, der lotrechte Mauern hochkommt, mit Hilfsmitteln, wenn es sein muss. Ohne Höhenangst, versteht sich. Jemanden, der sich im entscheidenden Moment in die Hosen macht, kann ich nicht brauchen. Gute Nachtsicht wäre kein Fehler und ein gutes Gehör auch nicht. Wie sieht's aus, wer von euch hat Erfahrung mit Ausflügen in die Senkrechte?«
Zwei der Männer schüttelten den Kopf und erhoben sich. Die Erleichterung stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
»Keine Nachtsicht«, sagte der eine und machte sich davon. Der andere hob die Hand, an der drei Finger fehlten. Jermyn fragte sich, warum Duquesne ihn geschickt hatte. Als die beiden fort waren, brachte die Frau den Kahwe. Er trank und obwohl ihm die Bitterkeit des schwarzen Gebräus den Mund zusammenzog, klärte sich sein Geist vom Dunst der Bilhas. Die Männer hatten ihm schweigend zugesehen, nun beugte sich einer vor und sagte bedächtig:
»Ich kenn dich doch, biste nich mit Seykos losgezogen? Du warst doch immer scharf aufs Klettern.«
Der Sprecher war ein vierschrötiger junger Mann, zwei oder drei Jahre älter als Jermyn. Kurzes, gelbes Haar bedeckte
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