AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Jermyn keine wirkliche Wahl ließ. Der Südländer musste ein Gefolgsmann sein, dem Bastard treu ergeben. Den Schwierigkeiten des Einbruchs gewachsen, aber keiner, den Jermyn im Rücken haben wollte.
Eine unangenehme Kälte bemächtigte sich seiner. Duquesne hatte ihn hereingelegt. Dieser Mann war kein blöder, leicht zu lenkender Schläger. Am Ende konnte er sich ebenso gut verschließen wie sein Herr und Jermyn musste viel Kraft aufwenden, um ihn zu beherrschen – Kraft, die er für den Einbruch brauchte.
Wut stieg in ihm auf. Sie pochte hinter seinen Augäpfeln, wollte seinen Geist überfluten. Mühsam hielt er die rote Flut in Zaum.
»Der Schatz, denk an den Schatz«, befahl er sich. Was nützte es, Duquesnes Spitzel zu einem lallenden Leichnam zu machen – wenn er sich noch Hoffnung auf Erfolg machte, musste er sich zusammenreißen. Dubaqi sollte nicht merken, dass er ihn durchschaut hatte.
Mit erzwungener Ruhe sagte er: »Von mir aus kannst du morgen Abend vorbeikommen, dann schau ich mir deine Kletterkünste an. Du wirst feststellen, dass es Unterschiede zwischen Masten und Mauern gibt.«
»Am Abend? Warum so lange warten?«, fragte Dubaqi ärgerlich.
»Weil es dunkel ist, mein Herz. Ich muss sehen, wie du im Dunkeln zurecht kommst oder denkst du, wir ziehen die Sache im hellen Sonnenschein durch?«, lachte Jermyn, er legte seine ganze Verzweiflung in den Spott und Dubaqi presste die Zähne zusammen, dass seine Kiefernknochen hervorsprangen.
»Wir sind also raus aus der Sache?«, fragte der Vorlaute, aber Jermyn zuckte die Schultern.
»Wer weiß? Noch habe ich nicht gesehen, wie er klettert. Kann sein, ich komme auf euch zurück«, sagte er leichthin. Es war nur leeres Geschwätz und Dubaqi wusste es, Triumph flackerte in seinen Augen. Jermyn wandte sich ab.
Duquesne hatte ihm, so kurz vor dem Ziel, Ketten angelegt. Der Sieg, nach dem ihn so verzweifelt verlangte, würde ihm vor seinen Augen entrissen werden ...
Ein Luftzug versetzte die Rauchschwaden in träge Wirbel. Die Tür war aufgegangen, neue Gäste drängten herein. Eine Gruppe bärtiger Kaufleute, die zwischen den Tischen standen und sich nach freien Plätzen umsahen, rafften ihre langen Gewänder wie ängstliche Damen um sich und wichen zur Seite, so dass sich eine Gasse zwischen ihnen bildete. Das Funkeln goldbestickter Kappen ließ Jermyn aufsehen.
Wenige Schritte von seinem Tisch entfernt stand ein Mädchen. Keine Schankdirne, es wirkte fremd in dieser Umgebung, graugekleidet, eine Wolke dunkler Haare um das blasse Gesicht, die hellen Augen waren fest auf ihn gerichtet. Einen Lidschlag lang erwiderte er gleichgültig ihren Blick, dann erkannte er sie und die Welt erstarrte.
5.Kapitel
23. Tag des Saatmondes 1464 p. DC, abends
»Meister, wartet!« Pferdehufe schmatzten durch den Schlamm. Der Ruf des Wachmanns übertönte kaum das Prasseln des Regens auf den Planen. Etwa eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit hatte sich der Wagenzug zur Nachtruhe eingerichtet. Seit dem Aufbruch von Tillholde waren drei Tage vergangen, eine Tagesreise weit steckten sie im Hochwald.
Der Geschirrlenker des Zugführers schob die gewachste Leinwand beiseite.
»Schlechte Nachricht, Herr, sie ham ein Frauenzimmer aufgegriffen.«
Ely ap Bede, der Vorsteher der Kauffahrer, sah von seinen Papieren auf.
»Was? Hier, mitten in der Wildnis? Ein verirrtes Kräuterweib?«
»Nee, 'n Mädchen, ganz junges Gewächs noch, auf'm Ross.«
»Dieses Mal haben es die Götter wahrlich auf mich abgesehen!«
Der Kaufmann zog die Filzkapuze über den kahlen Schädel und noch bevor er durch die runde Öffnung gekrochen war, hörte er die helle Stimme.
»Ihr seid auf dem Weg nach Dea, ich will mich Euch anschließen.«
Sie brachte ihren Wunsch vor, als hege sie nicht den geringsten Zweifel, dass man ihn erfüllte.
Der Kauffahrer drehte die Laterne und musterte das gebieterische Fräulein. Filzumhang und Reitkleid waren durchweicht, Nässe, Blätter und kleines Strauchwerk hingen daran, als sei sie schon eine ganze Weile durch die Wildnis geritten. Sehr gerade saß sie auf ihrem weißen Pferd, doch ihre Erleichterung, wieder unter Menschen zu sein, entging ihm nicht.. Jetzt schniefte sie und fuhr sich mit dem Ärmel über die Nase. Bigos hatte recht, sie war noch sehr jung ...
»Was ist? Weder mein Pferd noch ich stehen zum Verkauf. Wenn Ihr lange genug gestarrt habt, könnt Ihr mir vielleicht Antwort geben.«
Sie sprach ohne Scheu wie zu einem Gleichgestellten, ihr
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