AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Kerl erging es schlimm bei dem Sauwetter.
Sie kamen nur langsam voran, die Wagen blieben im Schlamm stecken und mussten mühsam herausgezogen werden. Tag und Nacht würden sie fahren müssen, um rotäugig, verdreckt und unrasiert in Dea anzukommen, gerade rechtzeitig zum Frühjahrsmarkt. Es würde keine Zeit bleiben, sich zu säubern. In unwürdiger Hast mussten die Waren in den Handelshallen ausgeladen werden – unter den belustigten Blicken der Herren des Seehandels in ihren pelzverbrämten Umhängen und federngeschmückten Baretten.
In solchen Momenten bereute Ely, dass er das mühevolle Geschäft des nördlichen Handels mit den schwerfälligen Wagen betrieb. Wie viel schneller ging es doch, wenn man über das Meer segeln konnte! Die Unglücklichen, deren Schiffe den Gefahren der Inneren See zum Opfer gefallen waren, vergaß er in solchen Augenblicken. Erst der traurige Anblick, wie sie sich in den Winkeln der Handelshallen herumdrückten, auf der Suche nach einem kleinen Geschäft, einem flüchtigen Nicken ihrer früheren Geschäftsfreunde, versöhnte ihn wieder mit seinem Los.
Doch die Handelshallen von Dea waren noch weit.
Verdrossen schob er die Papiere beiseite. Die Berechnungen des Wollpreises würden ihm eine weitere schlaflose Nacht bescheren. Ein großer Teil der Ladung bestand aus Wolle. Er selbst hatte den Fürsten und Landbesitzern in den Gebirgsreichen geraten, ihre Schafherden zu vergrößern und sich verpflichtet, einen Teil der Schur abzunehmen. Es war gute Ware, aber der Preis für feine Wollstoffe war stetig gesunken, seit die vornehme Welt es vorzog, sich in Seide zu kleiden. Jedes Jahr brachte der Seehandel größere Mengen des schimmernden Gewebes aus den Ländern jenseits des Sonnenaufgangs, Ely blieb auf einem riesigen Berg Wolle sitzen und fand ihn hart wie das Kutschbrett seines Wagens. Nur die wunderbaren Stoffe aus der Webschule von Tillholde würde er wie immer für gutes Geld loswerden, wenn er der Fürstin auch mehr davon abgeben musste, als ihm lieb war. Sie konnte hart handeln, die edle Frau ...
»Oi, Schnarchhahn, nich einpenne! Deine Viecher halte den ganze Verkehr uff. Weiter, weiter ...« Der barsche Ruf des Wachmanns durchbrach das einschläfernde Rauschen des Regens. Ely verzog das Gesicht.
Die Wachmannschaft – teuer, aber unentbehrlich. Es war nicht leicht, kampferprobte und zuverlässige Männer zu finden. Er hatte sich von Anfang an mit weniger Wächtern zufrieden geben müssen, aber nun waren zum Unglück zwei von ihnen außer Gefecht gesetzt. Dem einen hatte ein zurückrollender Wagen die Hand zertrümmert, der Bader hatte sie abnehmen müssen, um das Leben des Mannes zu retten. Den zweiten hatte ein plötzlicher, heftiger Anfall der Fieberkrankheit an sein Lager im Wagen der Wächter gefesselt. Zwei Bogenschützen und Schwertkämpfer, zwei Paar kräftige Arme weniger – vor allem, wenn es darum ging, einen Wagen aus dem Schlamm oder aus einem Graben zu hieven. Zahlen musste er trotzdem, so hatten sie es zu Beginn der Reise ausgehandelt.
Es knackte zwischen seinen Fingern und betreten schaute Ely ap Bede auf die Bruchstücke der Feder aus Gold und blassem Elfenbein. Es war ein wertvolles Stück, ein Geschenk seiner Frau, mit dem strengen Gebot, es nicht auf Reisen mitzunehmen. Höfliche Briefe an seine vornehmen Kunden und Handelspartner hätte er damit schreiben sollen, aber unbedacht hatte er sie eingesteckt und erst entdeckt, als sie schon unterwegs waren. Dame Enis' Schelten würde kein Ende nehmen!
Schuldbewusst legte Ely die beiden Teile beiseite und häufte einen Berg Papiere darauf. Das oberste Blatt war ein angefangener Brief und seine Miene verfinsterte sich.
»An den durchlauchtigsten Fürsten von Tillholde von Ely ap Bede, Vorsteher der Kauffahrer! Hoch geehrter, allergnädigster Herr, untertänigst wende ich mich an Euch ...«
Wäre es besser gewesen, den Brief abzuschicken? Vielleicht hätte er jetzt eine Sorge weniger – oder er hätte sich zum Gespött gemacht.
Ely schob die lose Planke über der Bodenluke beiseite und schüttete den Teerest auf den durchweichten Weg, der unter ihm dahinglitt. Aus dem Lederbeutel an seinem Gürtel warf er zwei Finger getrocknete Kräuter in den Becher und goss heißes Wasser darüber. Es gehörte zu seinen Vorrechten, ein Holzkohleöfchen im Wagen zu führen, er war nicht auf den Tee aus dem Kochzelt angewiesen. In den letzten Tagen hatte er nicht einmal erlauben können, es aufzustellen – sie waren zu
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