AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
er sich tief in die Lippe gebissen hatte. Wütend spuckte er das Blut aus und rutschte den Weg hinunter, den er gekommen war, gleichgültig gegen Abschürfungen und blaue Flecken. Unten angekommen rannte er davon, verfolgt von Musikfetzen, die höhnisch aus dem Fenster hinter ihm herwehten.
In seiner Zelle warf er sich auf seine Pritsche und bohrte den Kopf in das Kissen, aber lange hielt er es so nicht aus. Er sprang auf und begann hin und her zu laufen.
»Du blöder Trottel«, beschimpfte er sich, »warum musstest du dahin kriechen? Du Idiot, scher dich doch nicht um das ganze elende Pack!«
Sein Kopf schmerzte, dass ihm fast die Tränen kamen, als er wegen seiner Schwäche gegen sich wütete. So war es auch letztes Mal auf dem Turm gewesen. Wie hatte es ihn gegen seinen Willen zu ihr hingezogen! Jetzt noch krümmte er sich innerlich, wenn er an ihr krampfhaftes Schweigen, ihre offenkundige Erleichterung beim Ausbruch des Gewitters dachte. Mühsam versuchte er seine Gedanken zu beherrschen, aber diesmal gelang es ihm nicht. Zuletzt griff er doch nach der kleinen Phiole, die Vater Heiler ihm noch einmal widerwillig gegeben hatte, und entfloh mit ihrer Hilfe der Qual, die ihm so vertraut geworden war.
Der Tross des Patriarchen hatte sich endlich auf den Weg gemacht und verschwand langsam in einer Staubwolke nach Süden. Der alte Herr war mit dem Besuch zufrieden gewesen, sein Sohn hatte sich männlicher und bestimmter gezeigt, als er erwartet hatte. Auch jene andere Sache, wegen der er hergekommen war, schien sich nicht schlecht zu entwickeln. Immerhin hatte Tillholde ihn nicht rundheraus abgewiesen und er würde sich schon in Erinnerung bringen. Außerdem stimmte Donovan endlich einmal aus ganzem Herzen mit seinem Vater überein und das dünkte den Patriarchen ein gutes Zeichen. Vergnügt kehrte er in die große Stadt zurück und sein Hofstaat folgte ihm erleichtert.
Das Fürstenpaar von Tillholde war schon früher, mit weniger Aufwand, aber unruhigem Herzen aufgebrochen. Der Antrag des Patriarchen hatte sie aufgeschreckt und was sie von ihrer Tochter gesehen hatten, verwirrte sie. Die heitere Gelassenheit, die sie an Ava kannten, war verschwunden. Sie war abwesend und manchmal gereizt und in der funkelnden Schönheit, die über den Tanzboden geflogen war, hatten sie ihr Kind kaum erkannt. Beim Abschied war sie ruhig gewesen, aber in den grauen Augen hatten seltsame Schatten gelegen und so ritt das Fürstenpaar in nachdenklichem Schweigen auf der sich windenden Straße in die Berge hinauf.
Ava schlenderte durch den Kreuzgang zum Garten, sie war müde und ihre Füße brannten. Der Morgen hatte schon gedämmert, als die Musik endlich geschwiegen hatte, und da die Eltern früh aufgebrochen waren, hatte sie nur wenig Schlaf gehabt.
Sie hatte ganz vergessen, wie gerne sie tanzte, und was man auch über Donovan sagen mochte, tanzen konnte er gut. Er hatte sie nur für die Mutter und seine Stiefmutter losgelassen. Und sie musste hübsch ausgesehen haben, bedachte sie die bewundernden Blicke der jungen Herren und die neidischen der Fräulein. Ihr müder Kopf war angenehm leer. Sie würde sich in den Garten setzen und mit Quentin plaudern, das tat sicher gut nach all dem höfischen Gerede.
Donovan lehnte mit geschlossenen Augen an der Zeder und erlebte jeden Augenblick der vergangenen Nacht noch einmal. Sein Herz klopfte, wenn er an diese veränderte Ava in seinen Armen dachte. Wie war sie lieblich gewesen! Der Schimmer des Mondenschleiers hatte sie in ein feenhaftes Geschöpf verwandelt und in ihren Augen hatte er das Licht der Sterne gesehen.
Seit er hier war, bewunderte, nein, liebte er sie. Aber sie blieb ungerührt, gleichmäßig freundlich gegen alle, sei es der bäurische Quentin oder Jermyn, den er verabscheute.
Gestern Nacht war es anders gewesen, sie hatte nur ihn angelacht und jeden Tanz mit ihm genossen, das hatte er gemerkt. Sie hatte sich wohlgefühlt in seiner Gesellschaft, sie waren von einer Art, Edelleute, herausgehoben aus dem übrigen Volk. Und der Plan des Vaters – war es nicht eine Fügung der Götter? Der Patriarch war sehr leutselig gewesen und Donovan nicht wenig stolz darauf, dass er sich einmal nicht von den hochmütigen, jungen Herren des väterlichen Gefolges hatte einschüchtern lassen. Die Hochzeitspläne hatten ihm den Atem verschlagen. So weit hatte er nie zu denken gewagt, aber nach der letzten Nacht schien ihm die Erfüllung seiner Wünsche nicht mehr unmöglich –
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