AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Die Väter verließen die Zelle und verschlossen die Tür.
Auch als er allein war, rührte Jermyn sich nicht.
Vielleicht, wenn er ganz still hielt, regte sich auch der unerträgliche Schmerz nicht, der in ihm lauerte. Er hatte nicht geahnt, dass er einen solchen Sturm in sich entfesseln konnte, immer noch war er betäubt von der Anstrengung des wilden Angriffs. Er hatte nichts mehr gefühlt außer der roten Wut, bis er ihre Stimme gehört hatte, die seinen Namen rief, verzweifelt und flehend. Das hatte ihn zu sich gebracht. Aber auch daran wollte er nicht denken, auch da wartete der Schmerz.
So lag er eine lange Zeit, wie ihm schien, hoffte auf Schlaf und versuchte, seine Gedanken im Zaum zu halten. Doch er schlief nicht, trotz seiner Erschöpfung und schließlich stand er auf und schaute sich in der Zelle um. Nur das Nötigste gab es: die Pritsche, einen Tisch, einen Stuhl, einen Eimer, auf dem Tisch ein Teller mit Brot und zwei Äpfeln und ein Krug Wasser. Er trank davon, aber wenig, da er nicht wusste, wie oft man ihn auffüllen würde.
Die Betäubung hatte jetzt nachgelassen und die Bollwerke, die er gegen den Schmerz errichtet hatte, begannen zu wanken. Er versuchte, die Wut in sich zu wecken, die er so oft gegen alle empfunden hatte, rief sich alle Kränkungen ins Gedächtnis, die sie ihm zugefügt hatten, aber das half nicht lange, alles war untrennbar mit seiner Qual verbunden.
Zuletzt war er innerlich so wund, dass er die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht wie ein Hund zu heulen. Er verfluchte die Väter, die ihm den Mohnsaft vorenthielten, mit dem er in den Schlaf hätte flüchten können. Zuletzt vergaß er seinen Stolz, hämmerte gegen die Tür und schrie laut nach ihnen und als niemand antwortete, beschimpfte er sie mit den unflätigsten Namen, die er aus den Gassen der großen Stadt kannte.
Nichts rührte sich und er erkannte, dass er allein war, allein mit sich und dass es kein Entkommen gab. Mittlerweile war draußen tiefe Nacht, die Stille breitete sich aus und in dieser Stille setzte sich Jermyn geschlagen auf seine Pritsche und stellte sich seinem Dämon.
Du – schau dich an und sag, was mit dir los ist. Du hast ihn fast umgebracht und das wolltest du auch, nicht wahr? Und warum? Weil er sich da gesehen hat, wo du selbst sein möchtest! Gib es zu. Weil du sie für dich haben willst. Du sehnst dich nach ihr, seit du ihr das erste Mal in die Augen gesehen hast. Erinnerst du dich an den Schmerz? Er ist nicht verschwunden seit diesem Moment. Du hast dich betrogen, als du glaubtest, es sei der Hass auf die Fürstentochter. Du hättest genauso empfunden, wenn sie deinesgleichen wäre, aber dann wäre alles einfacher ...
Als er soweit gekommen war, warf er sich mit dem Gesicht auf das Polster und ballte die Fäuste. Die Wut auf Donovan – Eifersucht war es gewesen, vom ersten Augenblick an. Donovan kannte sie, er war vom gleichen Stand, hatte ein Recht auf sie.
Aber Jermyn wollte sie für sich. Nicht so wie die Huren oder die Mädchen in der Gosse, die man nahm und verließ, er wollte sie ganz und für immer.
Dieses Leben im Haus der Weisen, früher wäre es ihm als höchstes Glück erschienen – immer genug zu essen, keine Furcht, keine Schläge – jetzt erkannte er, dass es kein Glück, keine Ruhe für ihn geben würde, wenn er Ninian nicht haben konnte.
Die Treffen auf dem Turm waren wunderbar und schrecklich gewesen. Wunderbar, weil sie plötzlich ganz nah war, ein einfaches Mädchen, scheu und mutig, fröhlich und zornig – weil sie dort Ninian war und nicht die Lady Ava, fern und unerreichbar. Und schrecklich waren sie gewesen, weil sie sein Verlangen angefacht hatten, bis es loderte wie Höllenfeuer. Er hatte es nicht wahrhaben wollen, hatte sich dagegen gewehrt, denn sie erwiderte seine Empfindung offensichtlich nicht und wie konnte sie auch? Wer war er schon? Ein elender Gassenjunge, mürrisch, von allen abgelehnt und gehasst.
Tränen schossen ihm in die Augen und er verhöhnte sich dafür. Er hatte sich selbst aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, hatte von Anfang an nicht dazugehören wollen. Und es hätte auch nichts genutzt, wenn er mit Quentin und Donovan gut Freund geworden wäre – die Eifersucht hätte ihn trotzdem gequält.
Nur auf dem Turm war es anders gewesen. Er erinnerte sich, wie sie gelacht hatte, als sie das erste Mal die Mauer erklommen hatte, an ihren selbstvergessenen Gesichtsausdruck, wenn er sie alleine den Weg hatte suchen lassen, an ihren Ärger, als
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