AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
bleiben und sich patzige Antworten versagen, wollte sie ihre Eltern nicht bekümmern.
Es war so viel einfacher mit Jermyn. Vor ihm konnte sie sich gehen lassen, schimpfen, boshaft sein, wenn ihr danach zu Mute war. Ihr wurde heiß. Sie hatte sich vorgenommen, Jermyn und den Turm zu meiden – jetzt saß sie hier und sehnte sich nach ihm!
Ungeduldig sprang sie auf.
»Mutter, lass uns jetzt voranmachen, sonst überlege ich es mir noch und gehe zu Bett.«
Erstaunt kamen die Fürstin und die Kammerfrau herbei und Ava ließ sich von ihnen wie eine Kleiderpuppe anziehen und kämmen.
Die Fürstin hatte eine weitere Gabe Laluns mitgebracht – ein Haarnetz aus Silberspitze, besetzt mit winzigen Kristallen – und mit etwas Mühe bändigten sie Avas dunkle Locken in das schimmernde Gespinst. Als sie fertig war, musterte die Fürstin sie ernst.
Kein heiteres Kind stand vor ihr, sondern ein liebliches, junges Mädchen, das verstört sein Spiegelbild betrachtete.
»Ist etwas mit dir, Liebes? Du scheinst so verändert.«
Ava zuckte zusammen. Hier war die Gelegenheit, auf die sie gehofft hatte. Sie begegnete ihrem Blick im Spiegel und schüttelte langsam den Kopf.
»Nein, Mutter, es ist nichts, du hast mich lange nicht gesehen. Lass uns jetzt auf diesen lästigen Ball gehen. Ich wünschte, er wäre schon vorbei.«
Jermyn kauerte auf dem Vordach des Kapitelhauses, einen Arm um den grinsenden Wasserspeier gelegt, der mit heraushängender Zunge das Treiben in dem hellerleuchteten Festsaal zu verspotten schien. Mit Bitterkeit empfand Jermyn, dass er es ihm nicht nachtun konnte. Er verfluchte die Schwäche, die ihn hergetrieben hatte, aber er hatte der Verlockung nicht widerstehen können. Nun saß er hier, frierend und wütend, und starrte hinüber zu dem vornehmen Pack.
Deutlich sah er den Patriarchen, fett und alt, aber überaus reich gekleidet. Er saß auf erhöhtem Sitz und neigte sich zu seinem Nachbarn, um eine Bemerkung zu machen. Der Fürst von Tillholde wirkte unscheinbar gegen den Herrn von Dea und er schien dessen Vertraulichkeit nicht zu erwidern.
Jermyn hatte Ninians Vater von ferne gesehen und beinahe Gefallen an dem ernsten Mann in dem schlichten Gewand gefunden. Davon spürte er nichts mehr, er hasste und verachtete die ganze Gesellschaft.
Donovan kam in sein Blickfeld und es war ein Glück, dass sein steinerner Gefährte nichts fühlte, so heftig drückte Jermyn den gestreckten Hals des Ungeheuers. Prächtig, nach der neuesten Mode gekleidet, spreizte sich der alberne Geck vor den Gockeln aus dem Gefolge des Alten und machte seine Kratzfüße vor den herausgeputzten Fräuleins ...
Jetzt riss es ihn herum, er ließ die Mädels stehen und eilte auf jemanden zu. Jermyn beugte sich gefährlich weit vor, um besser zu sehen, aber da führte Donovan auch schon eine Dame in die Mitte des Saales. Er verneigte sich vor ihr und sie versank in einem Knicks. Flöten- und Geigentöne erklangen aus dem offenen Fenster und die beiden begannen zu tanzen, langsam und gemessen.
Jermyn starrte hinüber, wider Willen gefesselt von dem Schauspiel. Das Mädchen war in Weiß gekleidet und ihr weiter Rock schwang im Rhythmus der Musik um ihre Knöchel. Ein Schleier umgab sie wie eine zarte, schwach schimmernde Wolke, folgte sanft ihren anmutigen Bewegungen. Kristalle glitzerten in ihrem Haar und als die Melodie lebhafter wurde, sprangen Funken wie Wassertropfen um das dunkle Haupt. Sie war zauberhaft.
Donovan ließ kein Auge von seiner Dame, er war offensichtlich hingerissen von ihrem Anblick. Sie drehten sich schneller, Donovan hatte die Hände um die schmale Taille gelegt und schwang seine Partnerin herum. Jetzt tanzten sie am Fenster vorbei und die Dame wandte Jermyn ihr Antlitz zu. Er spürte, wie ihm alles Blut aus dem Gesicht wich und zum Herzen strömte. Ninian – die Tänzerin war Ninian. Sie blickte zu Donovan auf, ihre Wangen waren gerötet, die hellen Augen strahlten, auch sie genoss den Tanz. Nie hatte Jermyn sie so lebhaft und schön gesehen.
Die Musik endete und die beiden blieben nach einer letzten Drehung lachend und außer Atem stehen. Donovan ließ Ninian nicht sofort los. Erst als sie aus seinen Armen in einen tiefen Knicks glitt, gab er sie frei, trat einen Schritt zurück und zog ihre Hand an die Lippen. Dann führte er sie aus Jermyns Blickfeld.
Die Musik begann von neuem, andere Paare betraten die Tanzfläche, aber Jermyn schaute nicht mehr hin. Er schmeckte etwas Bitteres im Mund und merkte, dass
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