AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
grässlich verzerrten sich seine Züge.
Er ließ den Krug fallen und brüllte etwas, dann drehte er sich zur Zeder und ein zweiter Schrei ertönte, ein angstvolles, gepeinigtes Heulen. Ava rannte auf den Rasen hinaus.
Donovan kauerte zu Jermyns Füßen, verkrümmt und keuchend. Jermyn rührte ihn nicht an, aber selbst Ava spürte ein dumpfes Dröhnen an den Schläfen, die Luft um sie her bebte, gesättigt von Hass. Das Dröhnen wuchs, für Donovan musste es unerträglich sein.
»Jermyn ...«
Ihre Stimme war nur ein heiseres Flüstern, sie brachte kaum einen Ton heraus.
»Jermyn!«
Außer sich vor Angst und Zorn riss sie ihn herum und fuhr entsetzt zurück. Sein Gesicht war furchtbar anzusehen, bleifarben, schweißüberströmt. Die Augen waren nicht mehr schwarz, rote Glut loderte in ihnen, es quälte sie, hineinzublicken, aber sie hielt seinen Arm umklammert.
»Was tust du? Du bringst ihn um! Lass ihn, lass ihn, Jermyn, hör doch, bitte!«
Er schwankte plötzlich. Die verzerrten Züge erschlafften, die Lider schlossen sich über den furchtbaren Augen, er fiel auf die Knie. Donovans Geheul verstummte, er zuckte noch einmal und rührte sich nicht mehr. Ava sprang auf und rannte zum Kapitelhaus.
»Vater Dermot, Vater Dermot«, schrie sie schluchzend, aber der Vater kam schon angelaufen. Bleich, die Hand an die Stirn gepresst, rief er laut nach dem Vater Heiler.
In der Krankenstube beobachtete Vater Dermot ernst, wie der Heiler Donovan untersuchte. Er hatte dem jungen Mann die Fingerspitzen an die Schläfen gelegt und die Augen geschlossen. Schweiß bedeckte seine Stirn, selbst für den Kundigen war eine solche Untersuchung des Geistes mühevoll. Endlich ließ Vater Heiler die Hände sinken und atmete tief ein.
»Jermyn hat sich nicht richtig gesammelt und seine Kraft nicht voll eingesetzt, sonst wäre der arme Kerl jetzt tot oder unheilbar geschädigt. So denke ich, dass er sich erholen wird, aber ich fürchte, wir müssen die Erinnerungen an die Schmerzen löschen, sonst wird er nicht wagen, aufzuwachen.«
Er wandte sich Vater Dermot zu und sein mildes Gesicht zeigte ungewohnten Ärger.
»Was ist mit dem anderen? Hast du ihn schon angeschaut?«
»Nein«, Vater Dermot seufzte, »ich dachte, wir gehen beide zu ihm.«
»Nur ungern, mein Freund. Wäre es nicht besser, ihn zu blockieren? Er hat diesen armen Jungen fast getötet. Wie lange willst du das noch mit ansehen? Er ist eine Gefahr für alle, wenn er es nicht lernt, sich zu beherrschen. Denk nur daran, wie er Quentin zugerichtet hat.«
Jermyns Lehrer schüttelte den Kopf.
»Das war etwas anderes. Ja, er ist unbeherrscht und für diese Tat wird er sich drei Tage lang mit sich selbst beschäftigen müssen. Aber bedenke, es muss eine Provokation gegeben haben, so schlimm ist er bisher nie gegen Donovan vorgegangen.«
»Was sagt die Lady Ava? Hat sie nichts beobachtet?«
»Nein, sie sagt, sie weiß nicht, was Jermyn gereizt haben könnte. Aber Donovan kann sich nicht verschließen. Ich fürchte, Jermyn ist unerwartet in seine Gedanken geraten und konnte sich nicht rechtzeitig schützen. Glaub mir, das kann für uns Gedankenseher grausam sein«, erwiderte Vater Dermot mit leiser Bitterkeit. »Auch dass er sich nicht richtig gesammelt hat, spricht dafür, dass ihn ein starkes Gefühl überwältigte.«
Der Heiler nickte. »Er hat sich in letzter Zeit öfter Mohnsaft geholt, wegen der Kopfschmerzen.«
»Das ist schlecht. Auch dadurch leidet seine Selbstbeherrschung. Er dürfte solche Schmerzen nicht mehr haben, er ist in seinen Übungen weit gekommen. Lass uns zu ihm gehen.«
In einer anderen Zelle mit massiver, eisenbeschlagener Holztür und vergitterten Fenstern lag Jermyn bewegungslos mit geschlossenen Augen auf der Pritsche. Sein Gesicht war bleich und eingefallen, er sah schlechter aus als sein Opfer. Er schlief nicht, die Väter hörten seinen mühsam beherrschten Atem, aber als der Heiler sich über ihn beugte, hielt Vater Dermot ihn zurück.
»Warte, du kannst nichts für ihn tun, er hat sich ganz verschlossen. Aber er ist wach. Jermyn«, sagte er zu dem jungen Mann gewandt, »wir werden dich drei Tage hier alleine festhalten. Du bekommst zu essen und zu trinken, aber keinen Mohnsaft, hörst du! Du wirst dich mit dem, was du getan hast, auseinandersetzen und danach werden wir entscheiden, was geschehen wird.«
Durch keine Regung zeigte Jermyn, dass er die Worte gehört hatte, nur bei der Erwähnung des Mohnsaftes zuckte es um seinen Mund.
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