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AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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waren herrschaftliche Gemächer. Selbst Jermyn, der wenig Schönheit in seinem Leben gesehen hatte, erkannte die verwahrloste Pracht der hohen, luftigen Gewölbe, die getragen wurden von schlanken, steinernen Bögen und mit den gleichen glitzernden Steinchen geschmückt waren wie die Fassade. Von den Wänden war der Putz an vielen Stellen abgeblättert, aber es war noch genug vorhanden, um die Frische und Natürlichkeit der Wandmalereien zu erkennen. Eine Blumenwiese, ein blühender Baum, ein Mädchen in altertümlicher Tracht, das ihn über die Schulter hinweg anlächelte.
    Jermyn ging über die bunten Muster des Steinbodens von einem Raum in den anderen. In einigen Fensterhöhlen steckten noch Reste der hauchdünn geschliffenen Alabasterscheiben, die meisten aber waren mit Brettern vernagelt. Im letzten Raum fehlte die verzierte Decke. Hier musste sich vor langer Zeit die Kuppel erhoben haben, von der Wag gesprochen hatte. Ihre Ansätze waren noch zu sehen, aber die Wölbung war verschwunden, Bretter verschlossen die Öffnung. Darunter stand frei im Raum eine erhöhte Plattform, zu der ringsum zwei Stufen führten. Jermyn stieg hinauf und sah sich um. Pfostenlöcher an den vier Ecken sprachen von einem gewaltigen, herrschaftlichen Bett, das auf der Empore gestanden hatte und plötzlich musste er an Ninian denken. Dies wäre der richtige Ort für sie, die angemessene Umgebung ...
    Wie immer, wenn sie ihm unvermittelt in den Sinn kam, durchfuhr ihn jäher Schmerz.
    Er riss sich zusammen und schalt sich einen Narren. Manchmal dachte er tagelang nicht an sie, bis der Rücken eines dunkelhaarigen Mädchens in der Menschenmenge sein Herz mit wahnwitziger Hoffnung füllte. Danach strafte er sich, indem er sich vorhielt, was ihn von ihr trennte und dass sie ihn längst vergessen hatte. Aber er war nie überzeugend genug.
    Zu seiner Rechten fiel Tageslicht durch eine zweite Türöffnung. Die Tür war vor langer Zeit aus den Angeln gebrochen worden, aber jemand hatte mit ungeschickter Hand Ziegelsteine aufgeschichtet, um den Raum vor der Wut der Elemente zu schützen. Es war keine gute Arbeit gewesen, ein Teil des Steine war herausgefallen und er zwängte sich durch das Loch ins Freie.
    Auch hier hatten sich einst Gewölbe erhoben, aber er sah nur den blassen Winterhimmel über sich. Decke und Außenwände waren eingestürzt, der lange Schatten des Wachturms am Ende der Zimmerflucht fiel über die Trümmer. Jermyn prüfte den Boden. Die Balken schienen sicher und er kletterte über das Geröll zum Rand und schaute in die Tiefe. Die Außenmauern waren in den Innenhof gestürzt. Gras und Moos bedeckten die Überreste, Gesträuch und kleine Bäume wuchsen dazwischen. Selbst von hier oben konnte er die flinken Bewegungen der Eidechsen auf den sonnenwarmen Steinen sehen. Das untere Stockwerk dagegen und der Wachturm standen fest und würden der Zerstörung wohl noch länger trotzen.
    Er nickte beifällig, es gefiel ihm nicht schlecht hier; er hätte seine Ruhe und würde in dieser Einsamkeit sehr schnell merken, wenn sich jemand ungebeten näherte. In dem Gewirr von verfallenen Gebäuden und Mauerresten gab es reichlich Verstecke und Fluchtwege und schließlich lockten ihn der Turm und die übrigen Ruinen, Herausforderungen, an denen er sich messen konnte, ohne von unwillkommenen Beobachtern gestört zu werden. Und es kostete ihn keinen müden Kupferling.
    Behutsam ließ er sich über die Abbruchkante gleiten, die Fassade bot keine Schwierigkeiten, es gab genügend Giebel, Simse und Säulchen, an denen er Halt fand. Als er durch die zweiflügelige Tür trat, stand sein Entschluss fest. Er würde Wags Angebot annehmen, selbst wenn er damit einen unerwünschten Gefolgsmann als Dreingabe bekam.
    »Patron, he, Patron, biste noch da?«
    Wag starrte immer noch zur Galerie hinauf und schrak ordentlich zusammen, als hinter ihm das Geröll unter Jermyns Stiefeln knirschte.
    »Waa...was, w...wo kommste denn her? Kannste fliegen?«
    »Ich werde hier bleiben, aber ich wohne da oben und du kommst nur rauf, wenn ich's sage, verstanden? Und nenn mich nicht Patron!«
    In der ersten Zeit ihres Zusammenlebens war Jermyn Wags Gegenwart beinahe unerträglich, sogar seine Mahlzeiten nahm er allein im oberen Stockwerk ein, dankbar dafür, dass die Treppe eingestürzt war. Mehr als einmal bereute er die Abmachung; mit seinen Händen konnte Wag nichts von den Diensten eines Gefolgsmannes tun, Jermyn musste vielmehr für zwei Nahrung herbeischaffen. Es

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