AvaNinian – Zweites Buch
sahen.
Er selbst hatte die Rivalität zwischen den Wachtruppen gefördert, hatte es geduldet, dass sich seine Leute über die »hochnäsigen Schnösel« der Palastwache, über ihren Pomp, ihre lächerlichen Rituale lustig machten und nicht jeden Zusammenstoß hatte er so geahndet, wie es vielleicht nötig gewesen wäre. Er war davon überzeugt, dass seine Leute besser ausgebildet und schlagkräftiger waren und er redete sich ein, den komplizierten Ehrenkodex der Palastwache zu verachten. Doch er hatte nie vergessen, dass sie ihn abgewiesen hatten. Der Patriarch hatte sich geweigert, in die inneren Angelegenheiten seiner Garde einzugreifen und Duquesnes Hass hatte sich auf seine Männer übertragen. Nie hätte er sich träumen lassen, dass dieser Hass so auf ihn zurückschlagen würde.
Immer noch tobte der aberwitzige Kampf um ihn her, als er aus dem Augenwinkel eine dunkle Gestalt an sich vorbei zur Treppe huschen sah. Die Kämpfenden beachteten sie nicht, als sie sich zwischen ihnen her schlängelte, aber Duquesne stieß Battiste mit dem Schwertknauf von sich und setzte dem Fliehenden nach. Auf der Mitte der Treppe holte er ihn ein und erwischte eine Handvoll Stoff. Wie der Blitz fuhr der Flüchtling herum und stieß ihm die gekrümmten Finger ins Gesicht. Fluchend ließ er sie los und griff nach den feurigen Malen auf seiner Haut, sein Gegner aber floh die Stufen hinauf. Durch die heftige Bewegung war die Kapuze zurückgefallen und Duquesne starrte auf die schwarze, funkensprühende Haarmähne, die darunter zum Vorschein kam.
Ninian ... einer der Einbrecher war Ninian, sie gebrauchte das Blaue Feuer.
Oben erschienen jetzt wieder zwei außer Rand und Band geratene Wächter. Aus mehreren Wunden blutend schlugen sie aufeinander ein und kümmerten sich nicht um die schmale Gestalt. Als sie dagegen Duquesnes ansichtig wurden, stürzten sie sich mit wütendem Geschrei auf ihn. Er wurde die Treppe hinabgedrängt und Ninian entkam ungehindert. Jermyn musste zurückgeblieben sein, um die Täuschung aufrecht zu erhalten, sicher wollte er auf dem gleichen Wege fliehen.
Duquesne duckte sich unter den Hieben und sprang seitlich von der Treppe herunter. Er postierte sich an ihrem Fuß und wartete. Es gab nur diesen Eingang, Jermyn musste hier vorbeikommen und er würde bereit sein.
Eingeschlossen in einen Kokon aus Angst und Dunkelheit, unfähig sich zu rühren, lag Donovan zusammengekrümmt zwischen dem Krug und dem rauen Mauergestein. Ein vorspringender Ziegel bohrte sich in seinen Nacken und nur dieser anhaltende Schmerz verhinderte, dass er vor Entsetzen das Bewusstsein verlor. Jeder Atemzug war eine Qual, nicht einmal die Zunge konnte er bewegen. Sein Gehör schien jedoch nicht beeinträchtigt, wie zum Hohn drang der Lärm des Kampfes, den Jermyn entfacht hatte, an seine Ohren. Ab und zu vernahm er Duquesnes Stimme, der wie beim ersten Angriff brüllte, dass alles nur Täuschung sei, aber Schmerzensschreie und wütendes Geheul waren die einzigen Antworten.
Durch den Schleier, der vor seinen Augen wogte, sah Donovan Jermyn vor sich kauern. Nun erhob er sich aus seiner geduckten Haltung und setzte zum Sprung an.
Halb wahnsinnig vor Angst erkannte Donovan, dass er allein und hilflos hier zurückbleiben würde - im Dunkel, tief, tief unter der Erde. Er vergaß den Hass auf den erbarmungslosen Rivalen. Wenn ihn dieser letzte Mensch verließ, würden die Wände über ihm zusammenbrechen und ihn unter sich begraben. Schon spürte er den trockenen Ziegelstaub in Mund und Nase, wie er ihn mit seinen verzweifelten Atemzügen in seine Kehle saugen würde, das keuchende Würgen um den letzten Lufthauch ...
Die Todesangst gab ihm Kraft. Mit unmenschlicher Anstrengung überwand er den bannenden Willen und ein heiseres Krächzen entrang sich seiner ausgedörrten Kehle.
»Jer’yn ...«
Es war nicht mehr als ein Ächzen, aber Jermyn fuhr herum. Mit einer verächtlichen Geste wandte sich wieder ab.
»Lass ’ich nich allein, Jer’yn, geh nich ...«
Die gelähmten Lippen vermochten die Worte kaum zu formen, aber seine wilde Verzweiflung musste trotzdem herausklingen, denn Jermyn zögerte. Er warf einen Blick in das Gewölbe hinaus, dann rutschte er mit sichtbarem Widerstreben näher.
»Was ist?«, zischte er böse. »Ach so, du kannst wieder reden, ich versteh ja sonst kein Wort von deinem Gestammel. Aber komm nicht auf die Idee zu schreien!«
Donovan spürte, wie sich das Band um Zunge und Lippen löste, das Atmen fiel
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