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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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Knots auszuüben, aber er konnte an nichts anderes denken als an den Kasten, der Ciskes Leben retten würden.
    Der Schlosser ließ sich nicht anmerken, ob er Babitts Ungeduld bemerkt hatte. Er wiederholte die Prozedur bis zu dem Punkt, an dem er auf Widerstand stieß, ließ den Draht stecken und nahm einen zweiten, eine dünne Spirale, biegsam wie eine Gerte. Mit diesen beiden stocherte er nun in dem Mechanismus herum, die Augen geschlossen.
    »Weiß er, was er tut?«, murmelte Jermyn und sofort vergaß Babitt die eigene Gereiztheit. »Besser als du oder ich, Mann! Er sagt, wenn er ’ne Weile geprockelt hat, sieht er die Windungen vor sich, so als ob er drin rumlaufen könnte, wie in ’nem Irrgarten - bis jetzt hat er noch jedes verdammte Schloss aufgekriegt.«
    »Na ja, einmal ist immer das erste Mal«, erwiderte Jermyn sanft.
    Babitt antwortete nicht. An ein Versagen Knots’ wollte er nicht denken, dennoch legte er prüfend die Hand auf das dunkle Holz. Es war kalt und hart wie Eisen. Breite Metallbänder umspannten den ganzen Kasten, sie glänzten wie neu geschmiedet, obwohl der Schrank den Eindruck hohen Alters machte. Als Babitt entmutigt die Hand sinken ließ, war sie rußverschmiert vom Dunst der Kerzen, der sich im Laufe vieler Jahre auf dem Holz abgelagert hatte. Der Gedanke, dieses Monstrum aufzubrechen, behagte ihm gar nicht. Sie hatten zwar Brechstangen dabei, die Mule mit seinen Bärenkräften auch zu gebrauchen wusste, aber es würde Zeit kosten und Lärm machen.
    Er sah sich um. Sie waren schon eine ganze Weile hier, die Kerzen waren deutlich heruntergebrannt, trotzdem fiel ihm das Atmen nicht schwer. Es musste also eine Luftzufuhr geben und durch jedes Luftloch drangen Geräusche, Licht und Kerzenrauch nach draußen. Die Abstände zwischen den Wachwechseln waren knapp bemessen, die Zeit ging ihnen aus. Jermyn schien das gleiche zu denken.
    »Das wird nichts«, sagte er geringschätzig, ohne die Stimme zu senken. »Vielleicht versuchst du es besser, Ninian.«
    Bisher hatte das Mädchen auf dem Prachtstuhl gesessen und gelangweilt mit den Troddeln des Brokatüberwurfs gespielt. Nun stand sie auf und kam näher.
    »Wie du meinst.«
    Babitt spürte es gallebitter in sich aufsteigen.
    »Beeil dich!«, herrschte er Knots an, aber der ließ sich nicht hetzen. Mit unendlicher Sorgfalt und Geduld bewegte er die beiden Drähte, als habe er alle Zeit der Welt. Als Babitt glaubte, die Spannung nicht länger ertragen zu können, kam plötzlich ein dünner, hoher Ton von seinen Lippen, ein tonloses Summen, so unerwartet und durchdringend, dass seine Zuschauer zusammenzuckten.
    »Was hat er jetzt? Ist er übergeschnappt?«, zischte Jermyn, aber Babitt wäre vor Erleichterung fast in Gelächter ausgebrochen.
    »Das macht er immer, wenn das Schloss nachgibt ...«
    Obwohl er es schon so oft gesehen hatte, starrte er ebenso gebannt wie Jermyn und Ninian auf die Hände des kleinen Mannes. Sie bewegten sich kaum merklich, quälend langsam und die ganze Zeit summte er vor sich hin.
    Dann verstummte er und in der atemlosen Stille klickerte es, als klimperten Würfel auf das Spielbrett. Knots zog an den Drähten und die Tür sprang einen Spaltbreit auf. Er verstaute sein Werkzeug und sah triumphierend auf. Babitt grinste vor Erleichterung so breit, dass seine Mundwinkel schmerzten. Er klopfte Knots auf die Schulter und stieß beide Türflügel weit auf. Bis auf einen schlichten, unverzierten Kasten aus dem gleichen schwarzen Holz war der Schrank leer.
    »Gut gemacht!«
    Knots grinste zurück und ließ seine Fingerknöchel knacken. Mule, der als einziger keine Zweifel an den Künsten seines schmächtigen Kumpanen gezeigt hatte, ließ seine schwere Pranke auf die andere Schulter fallen, so dass Knots fast in die Knie ging.
    »Jou, Bruder, hastes ma wieda geschafft, Scheiße noch eins!«
    Jermyn verdrehte die Augen. Wenn ihn die Leistung des Schlossknackers beeindruckte, verbarg er es gut.
    »Warte mit den Lobliedern, er soll den Kasten erst aufmachen.«
    Auf eine Kopfbewegung von Babitt hob Mule den Kasten aus dem Schrank und stellte ihn auf den Tisch. Knots warf Jermyn einen giftigen Blick zu und begann mit seiner Spirale im Schloss des Kastens zu stochern. Schon nach wenigen Augenblicken hob er den Kopf und nickte Babitt zu.
    »Das is nich schwer, Patron.«
    »Na, prächtig, dann mach mal voran!«
    Um den Tisch versammelt beobachteten sie, wie Knots an dem Schloss hantierte. Es dauerte nicht lange, bis das vertraute

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