AvaNinian – Zweites Buch
lachte freudlos, »na schön, Süße, dann bleibt uns nur noch eins!«
Der elende Wind hatte ihnen gerade noch gefehlt. Im letzten Moment erwischte Babitt mit der freien Hand den alten Mantel, den eine plötzliche Böe loszureißen drohte, und stopfte ihn fluchend zwischen den Wagenkasten und die Ladung.
Wer um diese Zeit mit schweren Säcken unterwegs war, erregte schnell unliebsame Aufmerksamkeit und so hatten sie Lumpen und allerlei Unrat darüber gehäuft. Niemand kümmerte sich um die unzähligen Lumpensammler, die zu jeder Tages- und Nachtzeit die Straßen Deas nach brauchbaren Abfällen absuchten. Aber der Wind fuhr in die schäbigen Fetzen und Knots und er hatten alle Hände voll zu tun, um die spärliche Tarnung festzuhalten. So kamen sie nur langsam vorwärts und die Unruhe, die Babitt wieder ergriffen hatte, seit sie aus der Schatzkammer geflohen waren, wuchs ins Unerträgliche.
Er presste die Schulter gegen den schweren zweirädrigen Karren, den Mule aus seinem Versteck geholt hatte, während die beiden anderen mit ihrer Beute in der Mündung des Abwasserkanals gewartet hatten. Auf der anderen Seite des Wagens mühte sich Knots in beleidigtem Schweigen.
Nachdem er bei ihrem anstrengenden Rückzug durch den Diebestunnel gemerkt hatte, dass sie nicht verfolgt wurden, war seine Stimmung mehr und mehr gestiegen. Keuchend hatte er vom Erfolg ihres Raubzuges geschwatzt, seine Geschicklichkeit gerühmt. Das Geschwätz und das aufgeregte Kichern hatten Babitt, der schwer an seiner Last schleppte, so gereizt, dass er ihn endlich angeschnauzt hatte, er solle das Maul halten.
Knots hatte sich beinahe an seinen letzten Worten verschluckt. Noch nie hatte ihn der gutmütige, lässige Babitt, der manchen Misserfolg mit einem Lachen und einem Schulterzucken abtat, so angefahren. Seitdem hatte er keinen Laut mehr von sich gegeben, nicht mal mit den Knöcheln hatte er geknackt. Und beim Aufladen hatte er sich heldenhaft, aber stumm mit einem der Säcke abgemüht, wo er sich doch sonst nicht scheute, bei allen anstrengenden Arbeiten Hilfe einzufordern.
Mule hatte ihm den Sack schließlich abgenommen und auf den Wagen geworfen. Dann hatte er sich an die Deichsel gestellt, den breiten Lederriemen über seine Stirn gezogen und sich mit der geduldigen Kraft eines Ochsen ins Zeug gelegt. Er sprach nie viel und so schleppten sie ihre wertvolle Last schweigend durch abseits gelegene Straßen und Gassen zum Gerberviertel. Ab und zu bellte sie ein herrenloser Hund an und einmal torkelte ihnen ein Betrunkener entgegen, der mitgenommen werden wollte. Mule schob ihn einfach mit einer Hand aus dem Weg, der Mann verlor das Gleichgewicht und rollte in die Gosse. Andere Nachtschwärmer begegneten ihnen nicht, der schneidende Wind musste sie von den Straßen vertrieben haben. Ohne weitere Störung erreichten sie die vertraute Umgebung des Gerberviertels und Babitt beruhigte sich ein wenig.
Bis jetzt war alles wider Erwarten gut gegangen. Für ihn und die Jungs jedenfalls - mit Unbehagen dachte er an die beiden, die sie in der Schatzkammer zurückgelassen hatten. Wenn sie den Palastwachen in die Hände gefallen waren - wie lange würde es wohl dauern, bis sie reden und die Namen ihrer Komplizen preisgeben würden?
Babitt betete, dass sie ihm wenigstens so lange den Rücken freihielten, bis er das verdammte Kästchen abgeliefert hatte, damit Ciske freigelassen würde.
Ciske - oh, Mann, was würde er nicht alles tun, um sie für den Schmerz und die Angst zu entschädigen! Wenn diese dreckigen Schweine ihre Hände zerstört hatten, würde er für sie arbeiten, ehrlich arbeiten, wenn sie es verlangte. Eine Welle schuldbewusster, zärtlicher Liebe überrollte ihn, er brach das bedrückte Schweigen und keuchte seinen beiden Gefolgsmännern aufmunternd zu:
»Los, los, nur nich schlappmachen, wir haben’s bald geschafft!«
Mule grunzte, aber von der anderen Seite des Wagens antwortete ihm eisiges Schweigen. Er erinnerte sich der barschen Worten im Tunnel und ihm schlug das Gewissen. Knots musste quatschen, wenn sie einen Einbruch hinter sich hatten und bisher hatte sich nie jemand darüber beschwert. Und schließlich - heute hatte er wirklich Grund gehabt, sich zu loben.
Babitts Gedanken wanderten zurück in das nüchterne Gewölbe, das sich als die sagenhafte Schatzkammer des Patriarchen entpuppt hatte.
Als er mit seinen beiden Getreuen über den Schutthaufen geklettert war, hatten Jermyn und Ninian schon die großen Kerzen
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