AvaNinian – Zweites Buch
Klicken ertönte. Babitt sah Jermyn an, aber der wehrte mit spöttischer Höflichkeit ab.
»Es ist dein Einbruch, Bruder!«
Babitt öffnete langsam und beinahe feierlich den Deckel und fünf Köpfe beugten sich gespannt über den Kasten, den jemand so begehrte, dass er dafür auf alles Gold in der Schatzkammer verzichtete und ein unschuldiges Mädchen folterte.
Zehn Fächer waren darin, alle mit grauem Samt ausgeschlagen und die Gegenstände, die in ihnen ruhten, entlockten Mule ein enttäuschtes Schnauben.
»Was is das denn für’n Scheiß, Mann?«
Die anderen schwiegen, nicht weniger verblüfft, dann sog Ninian scharf die Luft ein.
»Ich glaube, ich weiß ...«
»Still!«
Jermyns Stimme schnitt ihr das Wort ab. Er lauschte mit geschlossenen Augen und erhobenem Kopf wie ein witterndes Tier.
»Was is? Ich hör nix.«
Babitt spitzte die Ohren, aber außer ihrem eigenen Atem war es totenstill in der Schatzkammer und auch von außen durchdrang kein Laut die Stille. Ninian packte seinen Arm.
»Schsch, er hört auf andere Weise.«
»Verdammt, ich hab nicht aufgepasst!«
Als Jermyn die Augen öffnete, glomm ein böses Licht in ihnen.
»Draußen wimmelt es von Wachen, der ganze Vorraum und alle Gänge sind vollgestopft mit ihnen und ich glaube, ich habe Duquesne erkannt. Wir sollten schleunigst verschwinden.«
»Die Säcke - wir müssen alles in den Gang schaffen. Los, Mule!«
Die drei Maulwürfe stürzten zu den Säcken mit den Goldstäben und Münzen und begannen, sie zu der Öffnung in der Wand zu schaffen, dann kletterte Mule hinein und nahm die schweren Beutel an, die Babitt und Knots ihm anreichten.
»Wir lassen die Säcke mit dem Kroppzeug hier«, keuchte Babitt, »die können wir nicht alle schleppen. Wenn’s hart auf hart kommt, müssen wir vielleicht alles zurücklassen.«
Mit halbem Ohr hörte er das leise, aber hitzige Wortgefecht hinter seinem Rücken.
»Mir wär es aber lieber, Ninian.«
»Nein, schlag es dir aus dem Kopf!«
»Es wär aber sicherer ...«
»Vergiss es!«
»... und du könntest ihnen helfen. Sei doch nicht so verdammt stur!«
»Wer ist stur? Sie sind zu dritt und du bist allein.«
»Jermyn, der Kasten, bring den Kasten her!«
Babitt verrenkte sich fast den Hals, als er versuchte, im Flüsterton über seine Schulter zu rufen.
»Du kannst ruhig schreien, die hören uns genauso wenig wie wir sie«, erwiderte Jermyn mürrisch und Ninians zufriedene Miene zeigte, dass er den Streit verloren hatte.
Als Babitt die letzten Säcke über den Ziegelhaufen wuchtete und Knots schon über das Geröll zu Mule in den Hohlraum hinter der Wand geklettert war, brachte er ihnen den Kasten. Ninian folgte ihm und verteilte dabei Ruß auf Stirn und Wangen. Mule starrte sie mit offenem Mund an.
»Was los? Vor lauter Schiss bekloppt geworn?«
»Halt’s Maul!«
Jermyn drückte Babitt den Kasten in die Hand.
»Hier, deine kostbare Beute. Wir trennen uns besser. Wenn wir alle durch den Tunnel abhaun, haben wir die ganze Meute auf den Fersen. Selbst wenn wir den ganzen Rümpel zurücklassen, ist es nicht sicher, dass wir ihnen entkommen. Duquesne ist nicht blöde, der merkt schnell, dass wir am Hauptkanal entlang laufen, und ich trau dem Hund zu, dass er über die Abwasserkanäle Bescheid weiß. Am Ende erwarten sie uns am Ausgang im Stadtgraben. Und dann müssten wir kämpfen.«
»Na und, ich denke, das könnt ihr zwei so gut!«
Jermyn fletschte die Zähne.
»Oh, um Ninian und mich hab ich keine Angst, mein Babitt, aber was ist mit euch? Duquesne kann Hunderte von seinen verdammten Wachhunden herbeipfeifen und dann endet dieses Abenteuer für euch im Kerker oder noch eher am Galgen. Das wollen wir doch nicht, oder?«
»Un sie? Kann sie das verdammte Loch hinter uns nich wieda stopfn?«
Knots Zähne klapperten so sehr, dass man ihn kaum verstehen konnte. Ninian schüttelte den Kopf.
»Nicht so gut, dass sie die Stelle nicht sofort entdecken und im Nu wieder einreißen können. Aufbauen dauert immer länger als zerstören!«
Ihr hübsches Gesicht war durch den Ruß fast unkenntlich geworden, aber ihre Augen glänzten. Jermyn warf ihr einen ärgerlichen Blick zu.
»Du solltest mit ihnen gehen!«, versuchte er es ein letztes Mal.
»Nein!«
Er zuckte die Schultern.
»Na gut, jedenfalls haut ihr mit dem ganzen Raffel ab. Wir halten sie auf und versuchen uns durch die Keller nach oben durchzuschlagen. Jetzt haben wir die Überraschung auf unserer Seite und wenn wir schnell genug sind,
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