AvaNinian – Zweites Buch
fest. Ja, das wäre besser gewesen. Aber egal, sag mir, wie das aussieht.«
Ninian beugte sich vor und betrachtete den Bluterguss. Er war handtellergroß, von merkwürdig ebenmäßiger, kreisrunder Form. Was hatte ihn geschützt? Er hatte nur seinen Kittel getragen - seinen Kittel mit der eingenähten Tasche für die Beute ...
»Das Siegel, Jermyn, das Patriarchensiegel hat den Stoß aufgehalten!«
Ohne den Blick von seinem Spiegelbild zu nehmen, schüttelte er den Kopf.
»Ich fass es nicht! Schau, wie tief es sich ins Fleisch eingegraben hat, er betastete die geschwollenen Ränder. »Ohne dieses Ding läg ich jetzt auf dem Schindanger.«
»Rede nicht so!«
Ninian wandte sich brüsk ab und ließ ihr Tuch in den Korb zu ihren schmutzigen Kleidern fallen. Sie streifte den sauberen Kittel über und warf ihm sein Hemd zu.
»Beeil dich, wir haben LaPrixa lange genug warten lassen!«, sagte sie barsch, aber als er ihr Gesicht sah, schluckte er die bissige Antwort herunter. Hastig zog er sich an und nahm sie in die Arme. Für einen Moment presste sie die Stirn an seine Wange, dann hob sie den Kopf und schenkte ihm ein wässriges Lächeln.
»Da siehst du, was passiert, wenn ich nicht da bin, um dich zu retten.«
Jermyn versenkte sich in die glänzenden grauen Augen, so weit er es wagte, ohne die Grenze zu überschreiten. Er fand darin, was er nie in einem anderen Blick gesehen hatte - Angst um sein Leben, Zuneigung und mehr als das. Bestürzt merkte er, dass auch ihm die Kehle eng wurde.
»Bild dir nur nichts ein, ich kann ganz gut auf mich aufpassen«, sagte er rau, »wenn es um Hunde geht, bist du jedenfalls keine Hilfe!«
Sie rückte ein wenig von ihm ab und der verdächtige Glanz verschwand aus ihren Augen. »Nett, dass du mich daran erinnerst«, erwiderte sie ungnädig, »du weißt wirklich, wie man einer Frau den Hof macht!«
Jermyn grinste und verbeugte sich zuvorkommend. Auf dem Weg zum Behandlungszimmer meinte er:
»Wir erzählen LaPrixa nichts Genaues von unserem Ausflug. Je länger ich über die Sache nachdenke, desto weniger gefällt sie mir, wir sollten sie für uns behalten. Warten wir ab, was unser edler Stadtherr über den Verlust seiner Kostbarkeiten verlauten lässt.«
»Wie du meinst«, sie gähnte, »ich habe nicht vor, heute noch viel zu reden. Ich könnte im Stehen schlafen. Hoffentlich beeilt sie sich und gegen ihre Sänfte hätte ich auch nichts einzuwenden!«
Jermyn brummte nur und schweigend tappten sie weiter, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, aber als sie die Treppe hinaufgestiegen waren und vor ihnen das Tageslicht durch den Perlenvorhang fiel, lachte Jermyn plötzlich. Ein harsches Lachen, das Ninian aus ihrem Dämmerzustand aufschreckte.
»Das Siegel der Stadt hat mir das Leben gerettet, jetzt steh ich in ihrer Schuld. Großartig, was?«
25. Tag des Regenmondes 1465 p.DC
im Morgengrauen
In einer kargen Kammer, weit entfernt von den belebten Räumen des Stadthauses, lag Duquesne ausgestreckt, das Gesicht in der Beuge seines Armes verborgen. Ein Leintuch bedeckte seine Blöße. Seine Haut glänzte von Öl und ein Mann beugte sich über ihn und walkte und knetete seine Glieder mit schnellen, kräftigen Bewegungen. Er war dunkelhäutig wie Duquesne selbst. Duquesne lag still, als sei er eingeschlafen und rührte sich nicht, als es klopfte.
Die Klopfzeichen wiederholten sich, lauter und ungeduldig.
»Ich bin es, Dubaqi! Wir sind zurück und ich hab Neuigkeiten!«
»Mach auf!«
Der Mann neigte den Kopf, drückte die Klinke mit dem Ellenbogen herunter und schloss die Tür hinter Dubaqi wieder.
Duquesne sah nicht auf. »Was willst du?«
Dubaqi antwortete nicht und Duquesne hob den Kopf.
»Was ist?«
Der Seemann warf einen Blick auf den Diener. Duquesne zuckte die Schultern, die Muskeln spielten unter der dunkel glänzenden Haut.
»Opadjia ist mir treu ergeben. Abgesehen davon ist er stumm. Rede endlich oder verschwinde, ich habe kein Verlangen nach Gesellschaft!«
»Die Handelsflotte, der wir uns angeschlossen hatten, ist in einen Hinterhalt der Battaver geraten. Sie waren der Eskorte um ein Drittel überlegen und haben alle Kauffahrer geentert und abgeschleppt. Die Wachschiffe haben sie versenkt«, Dubaqi stockte und fuhr ausdruckslos fort, »mit allen Leuten, die an Bord waren. Drei Männer haben sie verschont und mit einem Beiboot zu Wasser gelassen, um uns, zu unserer Schande, jeden ihrer Siege wissen zu lassen.«
»Ich weiß«, erwiderte Duquesne
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