AvaNinian – Zweites Buch
knapp, »ich habe sie gesehen, als sie in den Hafen gebracht wurden.«
Dem Flottenführer hatten sie Nase und Ohren abgeschnitten, er war halbtot vor Durst und Entkräftung gewesen und den beiden Matrosen war es nicht viel besser gegangen. Wie ein Lauffeuer war die Nachricht durch die Stadt gerast; ein großer Kaufmann und viele kleinere, die ihre Waren mit seiner Flotte verschifft hatten, waren zu Bettlern geworden, und selten hatte er die Herrn der Kauffahrergilde aufgebrachter gesehen.
»Wie seid ihr entkommen?«
Dubaqi lächelte dünn.
»Oh, ich hätte gekämpft, aber der Arit befahl, die kleine Flagge mit seinem Schriftzug zu hissen. Darauf haben sie abgedreht, als hätten sie den Teufel gesehen«, er zögerte und fügte vorsichtig hinzu: »Er ist übrigens draußen und will dich sprechen!«
Duquesne runzelte böse die Brauen.
»So, will er das. Heute Nacht hätten wir ihn gebraucht, jetzt nützt er mir nichts mehr!«
Der Diener und Dubaqi wechselten einen unbehaglichen Blick. Nur Duquesne konnte sich erlauben, so über den Ariten zu sprechen. Dubaqi besaß nicht seine Fähigkeiten - er hatte einen Auftrag bekommen und musste ihn ausführen, ob er wollte oder nicht.
»Duquesne, er hat mir gesagt, dass er dich sprechen will!«
Seine Stimme hatte einen drängenden Unterton angenommen. Duquesne stützte sich auf einen Ellenbogen und sah den Seemann an, der von allen Menschen einem Freund am nächsten kam. Für einen kurzen Moment gab er dem grausamen Drang nach, ihn für das büßen zu lassen, was ihm selbst in dieser Nacht zugestoßen war.
Dubaqis Unbehagen wuchs. Schweißperlen traten ihm auf die Stirn, ein gehetzter Ausdruck erschien in seinen Augen.
»Geht es dir nicht gut, Dubaqi?«, höhnte Duquesne. »Er ist stark, nicht wahr? Aber ich bin auch stark, er kann mich nicht zwingen, der andere konnte es auch nicht, heute Nacht im Gewölbe. Ich frage mich, wer von ihnen stärker ist, ein Duell zwischen ihnen wäre gewiss interessant ...«
Seine Stimme verklang.
»Duquesne ...«
»Ja, ja, schon gut. Ich rede mit ihm, hol ihn rein.«
Erleichtert schlüpfte Dubaqi hinaus. Duquesne setzte sich auf, schnippte mit den Fingern und der Diener warf ihm ein weites, weißes Gewand über.
»Bleib, Opadjia. Ich bedarf noch der Lockerung.«
Der Mann zog sich ängstlich in die hinterste Ecke der Kammer zurück und kauerte sich auf den Boden.
Die Tür öffnete sich wieder, Dubaqi hielt sie weit auf. Er hatte das Gesicht abgewandt, aber die Muskeln an seinem Hals bewegten sich krampfhaft, als versuche er, ein Würgen zu unterdrücken. Duquesne straffte sich unwillkürlich. Der Arit hatte sich unverschleiert gezeigt, um den Seemann für die Verzögerung zu strafen.
Auch er legte keinen Wert auf den unverhüllten Anblick des Gedankenmeisters, aber es wäre nicht das erste Mal und er würde ihm nicht die Genugtuung bereiten, den Blick zu senken.
Der Mann, der jetzt gemessenen Schrittes die Kammer betrat, war jedoch vom Kopf bis zum Fuß in schwarze Tücher gehüllt, die Tracht der Wüstenstämme. Bei ihm bedeckten sie selbst Mund und Nase, die Augen aber waren hinter blauen Augengläsern verborgen. Duquesne war erleichtert und ärgerte sich darüber.
Der Arit faltete die Hände vor der Brust und verbeugte sich feierlich.
»Ich grüße Euch, Herr«, flüsterte er heiser, aber erst als er die Geste wiederholte, erwiderte Duquesne den Gruß. Er liebte es nicht, an die Bräuche des mütterlichen Volkes erinnert zu werden.
Der Arit nickte zufrieden und Duquesne spürte den leisen Druck an seinen Schläfen, mit dem der Gedankenmeister seinen Eintritt in den anderen Geist ankündigte, wenn er ihm wohlgesonnen war. Sofort baute er alle Barrieren auf, stärker noch als er es in der Nacht gegen Jermyn getan hatte. Aber seine Stimme klang höflich.
»Sprechen wir, mein Geist ist erschöpft. Wir hätten heute Euren Beistand gebraucht, Meister!«
Der Arit neigte den Kopf und der Druck verschwand augenblicklich.
»Es schmerzt mich, dass ich Euch nicht beistehen konnte, Herr. Der Wind lässt sich auch von mir nicht befehlen. Verfügt von nun an wieder über meine Fähigkeiten. Doch ich komme mit einer Botschaft.«
Er schwieg einen Augenblick mit gesenktem Kopf, dann sah er zu Duquesne auf und wisperte durch das Tuch vor seinem Mund:
»Euer Großvater schickt mich, Yezid-sidhi. Er fragt: Wann kommt Ihr? Er ist alt und hat keinen Nachfolger, er fürchtet um die Freiheit seines Volkes - der Nizam wird von Tag zu Tag
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