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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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einem Streit ihr Bett gemieden hatte, suchte er gewöhnlich durch ein Wort oder einen Blick ihr Einverständnis, bevor er wieder zu ihr kam. Während des Lesens hatte sie sich beruhigt und hätte ihn gewiss nicht abgewiesen, aber nun regte sich ihr Ärger. Wie sicher er war, dass sie ihn bei sich haben wollte!
    Fest entschlossen, ihn nicht zu beachten, starrte sie auf die dichtbeschriebenen Seiten, aber die langsamen Atemzüge in ihrem Rücken lenkten sie ab, sie spürte seine Anwesenheit überdeutlich. Sprach er sie jetzt an, würde sie gewiss nicht freundlich antworten. Aber er blieb stumm und endlich hielt sie es nicht mehr aus, klappte den Leporello zu und drehte sich um.
    Er lag auf dem Rücken, die Arme unter dem Kopf verschränkt, und blickte mit seltsam abwesendem Ausdruck zur Decke. Über seiner Nasenwurzel stand eine kleine Falte und im Schein der Kerzen wirkte sein Gesicht bleich und angespannt. Ninians Ärger schwand.
    »Jermyn?«
    Zuerst dachte sie, er habe sie nicht gehört, dann sagte er ausdruckslos wie zu sich selbst:
    »Ich bin nicht durchgekommen.«
    »Was? Wo bist du nicht durchgekommen? Was hast du überhaupt gemacht?«
    »Ich habe versucht, die Bewohner eines Hauses auszuhorchen, und es ist mir nicht gelungen. Ich konnte die Sperren nicht durchbrechen.«
    »Welches Haus und warum wolltest du das tun?«
    Er wandte den Kopf und sah sie an. Die dunklen Augen waren matt und lagen tief in den Höhlen, wie immer nach einer großen Anstrengung.
    »Das sage ich dir nicht. Jemand, der so eine Sperre aufbauen kann, dringt auch in jeden Geist ein und da ist es besser, du weißt nicht, wo ich war. Du brauchst gar nicht zu zetern«, fuhr er sie an, als sie den Mund öffnete. »In der letzten Zeit habe ich mich wirklich nicht mit Ruhm bedeckt. Vater Dermot wäre nicht zufrieden mit mir«, er lachte bitter. »Ich hab es heute nicht geschafft, das flinke Miststück des Bullen festzuhalten, ich konnte weder Duquesne, diese Laus, in dem Gewölbe kontrollieren noch unsere Verfolger aufhalten ...«
    »Du hattest die Wachen lange gelenkt und nach dem Kampf gegen Duquesne warst du verwundet«, fiel Ninian ihm ins Wort, »der Fremde war sehr schnell und sehr seltsam. Mit dem dicken Eichwart hattest du keine Mühe ...«
    »Oh, großartig«, höhnte Jermyn, »das hätte Tartuffe auch gekonnt und der steht zu mir wie ein Latrinengräber zu dir.«
    Er verfiel in brütendes Schweigen, aber Ninian dachte bei sich, dass sein Hochmut ungebrochen war.
    »Ich habe mich gefühlt wie ganz am Anfang bei den Vätern«, begann er wieder. »Damals hab ich mir verdammt was darauf eingebildet, dass ich Gedanken sehen und lenken konnte! Dann hat Vater Dermot sich verschlossen, ich stand vor einer blanken Wand und habe es nicht geschafft, die Sperren zu überwinden. Er sagte, der Geist könnte nur ungehindert wirken, wenn er frei sei vom Gewicht unreiner Gefühle. Sie ließen mich Übungen machen, bei denen ich mich leer machen sollte: ,Gieße dich aus, sei wie ein leerer Tonkrug, lass nur den reinen Geist in dir herrschen, so überwindet er jede Mauer, Zeit und Raum, nichts wird ihm widerstehen. Aber zügle deine Leidenschaften, besser noch enthalte dich ihrer, die Triebe machen den Geist stumpf wie ein zu oft benutztes Schwert’ - als ob das so einfach wäre!«
    Er lachte bitter und die Sehnen an seinen Armen traten wie Stricke hervor, als er die Hände unter dem Kopf zu Fäusten ballte. Ninian hatte den singenden Tonfall von Vater Dermots Lehrstimme erkannt.
    »Das muss dir schwerfallen«, platzte sie heraus, »kein Hohn, kein Hass, keine Verachtung ...«
    Er fuhr herum und sie verstummte vor der finsteren Glut in seinen Augen.
    »Ja, Schlaukopf, aber vergiss auch die anderen nicht: keine Liebe und keine Lust! Würde dir das gefallen?« Ohne auf ihr gekränktes Schweigen zu achten, sprach er weiter.
    »Heute Abend bin ich auf eine Sperre gestoßen, die ich nicht durchdringen konnte, obwohl ich es mit allen Mitteln versucht habe. Ich konnte nichts von den Gedanken der Bewohner des Hauses wahrnehmen, nicht mal die Rachegedanken eines geprügelten Dieners, und die dröhnen miroft so laut durch den Schädel, dass ich mich besonders fest dagegen verschließen muss. Jemand hat das Haus abgeschirmt, hat einen Teil seines Geistes dafür zurückgelassen, so wie du mit einem Teil deines Wesens unseren Palast schützt. Jetzt frage ich mich, wer in der Stadt solche Fähigkeiten hat, und vor allem, warum es der Hausherr für nötig hält, sich

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