AvaNinian – Zweites Buch
und seinen ganzen Haushalt derart zu schützen.«
»Was hat dich überhaupt auf dieses besondere Haus gebracht?«
Jermyn lachte halb verlegen.
»Babitts Idee, ich sollte in den Gedanken der Leute nach Ciskes Mördern suchen, und eine Bemerkung, die er machte. Sie deutete in eine bestimmte Richtung und die Abschirmung passt ins Bild.«
Seine Stimme verklang, als er wieder ins Grübeln verfiel, und Ninian wandte ihm den Rücken zu. »Damit kannst du dich ja heute Nacht beschäftigen«, sagte sie über die Schulter und vertiefte sich wieder in die intrigenreiche Geschichte des kaiserlichen Dea.
Jermyn bemerkte es kaum, die Erinnerung an seine Niederlage quälte ihn wie ein Dorn im Fuß.
Er musste an Vater Dermot denken, seine lockenden und mahnenden Worte, die ihn am Anfang in Wut versetzt, im Laufe der Zeit aber den widerwilligen Wunsch in ihm geweckt hatten, den Vater zu verblüffen. Zu seiner Überraschung merkte er, dass ihm die Vorstellung, Vater Dermot möchte missbilligen, was er tat, nicht so gleichgültig war, wie er gedacht hatte.
Ich habe ihn nie gebeten, mich mitzunehmen, dachte er mürrisch, er hat mich gegen meinen Willen weggeschleppt und meine Kräfte ausgebildet. Es ist seine Schuld, wenn ich sie jetzt für meine Zwecke einsetze, er wusste, was ich für einer bin.
Er bewegte sich unruhig und ein schwacher, süßer Duft stieg aus den Decken auf. Die Glut des Kaminfeuers streichelte seine nackte Haut und allmählich tauten seine Füße auf, die während seiner vergeblichen Versuche in der zugigen Toreinfahrt erstarrt waren.
Wie er früher gefroren hatte! In den elenden Mietskasernen gab es wegen der Brandgefahr keine Kamine, die Plätze an den Feuerstellen in den Hinterhöfen waren immer hart umkämpft gewesen. Für Kinder und Schwache hieß es frieren oder derbe Püffe von den Größeren ertragen, um ein wenig Wärme zu ergattern. In jenen Tagen, bevor er entdeckt hatte, dass er die Stärkeren dazu bringen konnte, ihn zu übersehen, war seine magere Gestalt unter vielen Lagen von Lumpen verschwunden, die ihn notdürftig vor der Kälte schützten. In der kalten Zeit hatte er sie niemals abgelegt, wochenlang in ihnen gelebt, gegessen und geschlafen. Er musste gestunken haben wie ein Schwein und wahrscheinlich war das Getier, das die Lumpen bevölkert hatte, besser genährt als er selbst. Jetzt könnte er nackt in allen Zimmern herumlaufen und im Ofen hatte eine Schüssel mit Leckerbissen gestanden, von denen er früher nicht einmal gewusst hatte, dass es sie gab!
Die harten Spitzen seiner Haare kratzten an seinen Armen, als er den Kopf bewegte, er tastete nach dem breiten Ring in seinem Ohr und spürte befriedigt die warme Glätte des Goldes. Es gab eine ganze Reihe junger Böcke in den Vierteln rund um das Ruinenfeld, die ihn nachahmten, kleine Patrone und Herrscher über ein paar Häuserblocks, und es gefiel ihm, wie sie alle ohne Ausnahme den Blick vor ihm senkten.
Sein Leben hatte sich auf wunderbare Weise verändert. Hatte er das den Vätern zu verdanken, die ihn gegen seinen Willen zu sich geholt hatten? Oder wäre er auch alleine, hier in Dea, so weit gekommen, früher oder später? Vielleicht ...
Die Seiten raschelten und Jermyn lächelte. Nein, er war ihnen dankbar, wenn sie sich selbst auch einen Bärendienst geleistet hatten. Er rollte sich herum. Auf einen Ellenbogen gestützt, die Hand in den wirren, dunklen Locken verborgen, wandte Ninian ihm sehr entschieden den Rücken zu. Ihre Decken hatte sie bis zu den Schultern hochgezogen, aber während er sie ansah, zog sie die freie Hand aus der Umhüllung und begann mit einer Haarsträhne zu spielen, eine vertraute Geste, die den zarten Schatten unter ihrem Arm enthüllte. Jermyn streckte vorsichtig die Hand aus, strich sanft über den weichen Flaum und berührte die weiche Rundung ihrer Brust sehr sacht mit den Fingerkuppen. Sie hielt den Atem an, las aber weiter.
»Pflegst du immer noch deinen Groll, Süße?«
»Hmm ...«
Er spürte den leisen Schauder, der sie überlief. Er rückte näher, ließ die Hand weitergleiten und berührte die seidige Haut unterhalb der Achsel mit den Lippen und als sie sich immer noch nicht rührte, flüsterte er, ohne den Mund fortzunehmen: »Vielleicht ... sollte ich schon mal damit anfangen ... meine Leidenschaften zu zügeln ...«
Sie gab einen kleinen Laut von sich, halb Seufzen halb Lachen, einen geliebten Laut, der ihn zittern ließ.
»Ach nein, lass uns das auf morgen verschieben. Lieber ...
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