Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern
den zweiten vino und entscheide mich dafür, jeweils eine Kiste zu kaufen. Der Wein ist nicht billig und ich bin mir sicher, auch die Marketingidee mitzubezahlen, aber ich kann nichts dagegen tun: Mit Blick auf die toskanische Landschaft bin ich genauso verführbar wie die meisten Touristen. Als ich versuche, zu bezahlen, streikt meine EC-Karte.
»Merkwürdig.« Peinlich berührt blicke ich Signor Cignozzi an, der es gerade noch einmal versucht, aber auch beim zweiten Mal kann die Karte nicht gelesen werden. »Nein, mir tut es leid«, sagt er dann mit aufrichtigem Bedauern, »ich hätte ihnen sehr gerne ein klein wenig vom Paradies mit nach Berlin gegeben.« Offensichtlich meint er es ehrlich, denn er nimmt eine der Brunello-Flaschen aus der Kiste und reicht sie mir. »Hier, nehmen Sie das, ein kleines Andenken, geht aufs Haus. Und lassen Sie ihn daheim erst mal vier Wochen ruhen, er muss sich erst wieder an die neue Umgebung gewöhnen. Und wenn er Ihnen schmeckt, dann können Sie die restlichen Flaschen auch von Deutschland aus bestellen.«
»Ich werde ihm gut zureden, ihn hegen und pflegen, und wenn er Heimweh hat, mach ich ihm Mozart an«, verspreche ich und bin ihm dankbar, dass er mich aus dieser peinlichen Situation befreit hat.
Meine nächste Station ist Siena. Mittlerweile ist es später Nachmittag, und ich bin erschöpft von der langen Fahrt. Aber ich lasse es mir nicht nehmen, noch einen kleinen Spaziergang durch die Innenstadt zu unternehmen. Siena gehört mit seiner mittelalterlichen Anmutung zu den sehenswertesten Städten in der Toskana. Ich laufe durch Gassen, die mit großen und kleinen Steinen gepflastert sind, an Häusern entlang, an deren Mauern Flaggen mitunten Wappen hängen. Sie stehen für die einzelnen Stadtteile, die beim berühmten Palio di Siena , dem härtesten Pferderennen der Welt, gegeneinander antreten. Auf der Piazza del Campo findet dieses Ereignis zweimal im Jahr statt. Dann wird der Boden mit Sand aufgeschüttet, und die siebzehn contrade , die Stadtteile, werden zu Gegnern, erklärt mir der Verkäufer in einem Geschäft am Rande des Platzes. Ich sehe die Pferde, die mit geblähten Nüstern aufgeregt an der Startposition stehen, fast vor mir, kann die Bewohner Sienas hören, die gemeinsam mit den Touristenhorden lauthals um die Wette gröhlend die Reiter anfeuern. Das ist bestimmt aufregend, trotzdem bin ich ganz froh, dass ich mich nicht vor trampelnden Pferdehufen retten muss, sondern gemächlich über den Platz schlendernd in einer trattoria einkehren kann. Ich bestelle mein Abendessen, dann mache ich es mir gemütlich und fische den Notizzettel aus meiner Jackentasche, auf dem ich die Nummer von Marios Mutter notiert habe. Klopfenden Herzens rufe ich sie an. Ich weiß gar nicht, weshalb ich in diesem Moment so aufgeregt bin, vermutlich, weil ich dem Ziel, meinen Kindheitsfreund wiederzusehen, so nah bin wie noch nie zuvor. Nach ein paar Sekunden nimmt am anderen Ende der Leitung jemand ab.
»Pronto!«, höre ich eine Frauenstimme.
» Buonasera. Bitte entschuldigen Sie die Störung. Mein Name ist Dana Phillips. Sind Sie Allegra Tozzi?«
»Si.«
»Ich ... ähm ...« Ich weiß nicht, wie ich mein Anliegen auf den Punkt bringen soll. »Ich bin auf der Suche nach Mario.«
»Nach Mario?« Die Signora wirkt verwundert.
»Ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern. Wir haben uns vor vielen Jahren im Urlaub auf Sizilien kennengelernt. Ich war mit meinen Eltern dort. Ich habe hier dieses Foto von Mario und ...«
»Moment. Stopp, mir passt es gerade nicht so gut, mich überario zu unterhalten«, unterbricht mich Allegra Tozzi. »Ich bin hier bei der Arbeit.«
»Können Sie mir nicht einfach Marios Telefonnummer geben?«, frage ich forsch.
»Nein.« Ich höre, wie Signora Tozzi durchatmet. Vielleicht bin ich jetzt doch ein wenig zu sehr mit der Tür ins Haus gefallen.
»Bitte entschuldigen Sie. Ich glaube, ich habe Sie ein wenig überrumpelt. Ich bin Journalistin und reise gerade für eine Reportage mit dem Auto durch Italien. Weil ich diese schöne Jugenderinnerung an meine Ferien in der Casa Margaret habe, dachte ich, es wäre nett, Mario und Sie wieder zu treffen. Wäre es nicht möglich, Sie zu besuchen? Ich würde mich wirklich sehr freuen.«
»Das ist alles ein bisschen kompliziert. Ich weiß nicht, wie ich es am Telefon sagen soll ...«, entgegnet Allegra und seufzt. »Wo sind Sie denn gerade?«
»Ich bin in Siena.«
»Nun ...« Ich kann förmlich hören, wie sie
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