Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern
überlegt. »Dann sind Sie ja ganz in der Nähe. Hören Sie, ich muss jetzt wirklich aufhören. Ich betreibe eine kleine Galerie hier in San Gimignano. Das ist nicht sehr weit weg von Siena. Wenn Sie eine Reportage über Italien machen, der Ort ist ohnehin eine Reise wert. Kommen Sie doch morgen gegen Mittag bei mir in der Galerie vorbei, sie befindet sich direkt im Stadtkern. Dann können wir kurz reden. Oder zusammen mittagessen gehen.« Sie nennt mir die genaue Adresse.
»Das klingt hervorragend. Um eins. Ich freue mich.«
»Ja, ach, Moment, ich weiß auch nicht ... ich weiß wirklich nicht, ob das eine so gute Idee ist. Ich muss Ihnen eigentlich vorher etwas sagen, ich ...«
»Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde Sie nicht lange aufhalten«, unterbreche ich sie, um ihr ein bisschen mehr Sicherheit zu geben. Vielleicht hat sie mein Beruf abgeschreckt, manhe Leute fühlen sich von Reportern eingeschüchtert. »Ich freue mich wirklich, Sie zu sehen.«
»Na gut«, antwortet sie schicksalsergeben. Ich lege auf und bin zufrieden mit mir. Wenn schon meine Liebesgeschichte mit Fosco kein Happy End hatte, so habe ich es zumindest geschafft, meine Jugendliebe aufzuspüren.
Mit einem Prickeln im Bauch kehre ich nach dem Abendessen in einer kleinen Pension ein, die ich mit meinem restlichen Bargeld aus dem Handschuhfach zahle, und falle in einen tiefen, glücklichen Schlaf.
Am nächsten Morgen verlasse ich Siena, um Richtung San Gimignano zu fahren. Auf dem Weg zum Auto laufe ich an einer Bäckerei vorbei, die den Namen Pasticceria Giannini trägt und vor kurzem ihr hundertjähriges Bestehen gefeiert hat, denn im Fenster steht noch eine große Jubiläums-Torte. Ob sie etwas mit der bekannten italienischen Sängerin Gianna Nannini zu tun hat? Ich trete ein.
»Gehört diese Bäckerei zu der berühmten Familie Nannini?«, frage ich die Verkäuferin und lasse meinen Blick über die paste hinter der Scheibe des Tresens fallen.
»Aber sicher. Die Nanninis sind eine wohlhabende und traditionsreiche Konditorenfamilie. Aber Sie wollen bestimmt wissen, ob sie mit der Sängerin verwandt sind, nicht wahr?« Ich nicke, während mir beim Anblick der süßen Törtchen schon das Wasser im Mund zusammenläuft.
»Ja, sie sind verwandt, aber die Nannini-Kinder hat es nicht gerade ins Familiengeschäft gezogen. Gianna ist als Sängerin erfolgreich, und ihr Bruder war mal Rennfahrer in der Formel 1. Mittlerweile kümmert er sich aber doch um das Unternehmen. Unter uns gesagt – Gianna war mir immer schon zu feministisch. Ich finde, uns Frauen ging es doch immer gut hier in Italien. Wieso muss man denn da immer so gegen die Männer hetzen?« Verwundert höre ich ihr zu, offenbar hat sie die Idee des Femiismus nicht verstanden. Ich muss an Gianna Nanninis Song Bello e impossibile denken, den Mario mir damals auch auf das Mixtape gespielt hat und den ich seit Tagen im Auto rauf und runter höre.
»Bello bello e impossibile, con gli occhi neri e il tuo sapor mediorientale, bello bello e invincibile, con gli occhi neri e la tua bocca da baciare, girano le stelle nella notte ed io, ti penso forte forte e forte ti vorrei.«
»Hübsch, hübsch und unmöglich, mit schwarzen Augen und deinem südlichen Geschmack, hübsch, hübsch und unbesiegbar, mit schwarzen Augen und deinem Mund zum Küssen, in der Nacht kreisen die Sterne und ich denke sehr stark an dich, ich will dich.«
Also gegen Männer hetzen klingt in meinen Ohren anders, aber ich merke, dass es keinen Sinn macht, der Verkäuferin erklären zu wollen, dass man sich durchaus für die Freiheit der Frau einsetzen und trotzdem einen Mann anbeten kann. Freundlich lächele ich die Verkäuferin an und lenke das Thema auf die Köstlichkeiten in der Vitrine.
»Was würden Sie mir denn empfehlen?«
»Oh, da gibt es einiges. Immerhin ist Siena berühmt für seine Kuchen und Kekse. Nehmen sie doch ein Stück panforte , das wird aus Nüssen, Honig und mehreren geheimen Gewürzen gemacht.« Sie lächelt und guckt mich geheimnisvoll an.
»Gern«, antworte ich. »Aber nur ein Stückchen, ich habe nur noch Kleingeld dabei.« Ich lege ein paar Münzen auf den Tresen, packe das Mitbringsel für Allegra ein und verlasse die Bäckerei. Ich muss unbedingt nach einem Geldautomaten Ausschau halten. Zurück im Auto, drehe ich das Radio auf, während ich mit meinem Wagen nach San Gimignano fahre, wo Marios Mutter auf mich wartet. Lauthals singe ich die Zeilen von Gianna Nanninis berühmtem Song, der
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