Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern
Polizeirevier, vor dem uns schon zwei weitere poliziotti erwarten. Mit den Armen auf das Wagendach gelehnt, reichen sie mir, ohne sich mehr als nötig zu bewegen, ein Formular, das ich ausfüllen soll. Polizist eins tippt auf eine leere Stelle auf dem Papier.
»Hierhin bitte eine Angabe über die wichtigsten Dinge, die gestohlen wurden.« Sorgfältig male ich die lederne Umhängetasche mit dem eingestanzten Logo auf das Papier.
»Was soll denn das?«, fragt Polizist zwei, der sich zu nah über meine Schulter beugt.
»Ganz einfach. So sieht meine Handtasche aus, und sie ist das wichtigste von den Dingen, die gestohlen wurden«, antworte ich trotzig.
»Was ist schon ein Personalausweis?«, wiehert Polizist drei mit ironischem Unterton. Ich beschließe, dass es keinen Sinn macht, ihm zu erklären, wie man sich als weibliches Wesen ohne seine Tasche fühlt. Er würde es nicht verstehen. Wenig später werde ich im Polizeirevier durch einen langen Flur geführt, an dessen Wänden Steckbriefe hängen, von denen Mörder und Schwerverbrecher ein dämonisches Lachen zu mir herunterschicken. Dann betreten wir einen dämmerigen Raum. Unter dem schmalen Fenster steht ein Schreibtisch, an dem ein weiterer uniformierter Polizist sitzt. In der Mittagshitze atmet der Übergewichtige schwerfällig. Schweiß rinnt über sein Gesicht. Ihm gegenüber steht noch ein Schreibtisch. Im Gegensatz zu dem Arbeitsplatz des Dicken ist er nicht aus Plastik, sondern aus dunklem Holz,nd gehört wohl dem Kommissar, der gerade am Fenster steht und eine Zigarette raucht. Anders als seine Kollegen ist der commissario in Zivil gekleidet. Er trägt Cowboystiefel und eine Jeansjacke, die Haare hat er zu einer silbernen Tolle frisiert. Ganz offensichtlich hat da jemand in seiner Jugend zu viel 21 Jump Street gesehen.
Ohne eine Miene zu verziehen, hört er sich meine Geschichte an, die ich erneut zum Besten gebe, und reicht mir dann ein dickes Buch – das Fahndungsbuch von Neapel, in dem ich nach dem Dieb suchen soll. Ich blättere durch die Seiten. Die Anzahl der Verbrecherbilder ist beeindruckend. Alte und Junge, Männer und Frauen, Bösartige und Harmlose drängen sich Foto an Foto auf dem Papier. Zwanzig Minuten lang durchforste ich die Seiten nach dem Mann, der jetzt im Besitz meiner Handtasche ist. Vergeblich. Resigniert schlage ich den Einband zu und lege ihn achselzuckend zurück auf den Schreibtisch.
»Ich hab ihn leider nicht gefunden«, sage ich und versuche, mir die Enttäuschung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Der Kommissar mustert mich mit seinen stechend blauen Augen.
»Was denken Sie denn?«, lacht er auf »Natürlich nicht, die Fotos sind ein paar Jahre alt!« Ich würde ihn gern fragen, weshalb er dann unsere Zeit verschwendet und wie man in Neapel überhaupt gedenkt, Verbrecher zu fangen, wenn man sie aufgrund veralteter Bilder nicht mehr identifizieren kann. Aber ich beschließe, dass es manchmal klüger ist, zu schweigen.
Auf Wink des Kommissars kriecht der dicke Polizist hinter seinem Schreibtisch hervor und geleitet mich ins Freie. Zu Fuß mache ich mich auf den Rückweg zu meiner Pension, wo mir der portieri, nachdem ich ihm von dem Überfall erzählt habe, einen doppelten Limoncello spendiert. Eigentlich wollte ich noch zwei Nächte in Neapel bleiben, aber nun fühle ich mich in der Stadt nicht mehr sicher. Der dekadente Verfall Neapels,en ich bisher so charmant fand, wirkt auf einmal bedrohlich, die meisten Passanten, die mir entgegenkommen, kenne ich, so bilde ich mir zumindest ein, aus dem Fahndungsbuch. Hätte ich doch nur auf Raffaele gehört, denke ich müde, als ich an diesem Abend einschlafe und beschließe, am nächsten Morgen sofort Richtung Norden aufzubrechen.
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Do Italians better?
Oder ... warum der Italiener im Süden ganz anders tickt als im Norden
Eine Kolumne von Dana Phillips
Liebe Komplizinnen! Um mal eins vorweg zu sagen: DEN Italiener gibt es nicht! Denn der Unterschied zwischen Nord- und Süditalien ist so groß, dass es sich um mindestens zwei verschiedene Länder, Kontinente oder gar Welten handeln könnte. Ein Mann aus Venedig und ein Sizilianer sind grundverschieden, Nord- und Süditaliener sind Antipoden des Verhaltens.
In Süditalien zum Beispiel gibt es noch heute die Liebesflucht: eine geschickte Taktik, mit der die Liebenden ihren Eltern die Zustimmung zur Eheschließung abringen. Und das funktioniert so: Ein Italiener und eine Italienerin müssen unverheiratet nur einmal eine
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