Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern
mir fest vor, ihm bei nächster Gelegenheit das Geld für die Übernachtung zurückzugeben. »Aber wenn du eine Unterkunft hast, weshalb klingst du dann so traurig? Geh los! Venedig erkunden, die Stadt ist wunderbar!«
»Ich weiß nicht. Eigentlich möchte ich mich nur hier verkriechen. Erst der Diebstahl und dann die Sache mit Mario ...«
»Jetzt erzähl doch mal. Was ist denn passiert?«
»Er hatte einen Autounfall und ist dabei gestorben.« Ich warte auf eine Reaktion am anderen Ende der Leitung, aber es bleibt still. »Hast du mich gehört?«
»Ja, entschuldige. Ich wusste nur nicht, was ich sagen soll. Das ist hart.«
Schrecklich, oder? Ich weiß wirklich nicht, wie man damit umgeht.«
»Ach, Dana.« Ich höre Raffaele seufzen. »Versuch dich zu sammeln und das Ganze nicht so an dich ranzulassen. Ich meine, immerhin war er eigentlich nicht viel mehr als eine Projektion. Du hattest ihn doch seit einer halben Ewigkeit nicht gesehen.«
»Das ist noch nicht alles. Ich habe heute Vormittag in einem Magazin ein Foto von Fosco entdeckt. In der Grazia . Mit seiner Frau. Stell dir vor, Raffaele, er ist verheiratet! Deswegen hat er sich nicht gemeldet!«
»Dann hast du zumindest eine Erklärung«, sagt Raffaele ungerührt. Fast scheint es, als würde er sich über diese Nachricht freuen.
»Das ist alles, was du dazu zu sagen hast?«, fauche ich.
»Dana, jetzt sei doch nicht sauer! Ganz ehrlich, es gibt so viele Männer, die fremdgehen. Und für dich ist es doch völlig egal, weshalb er sich nicht meldet.«
»Dann sind die Italiener also doch alle Fremdgänger, und das Klischee stimmt! Somit hätte ich zumindest endlich bewiesen, dass es eine Schnapsidee war, mich hierherzuschicken. Auch der Italiener ist nicht Mr. Right.«
»Dana, jetzt versuch doch mal, ein wenig sachlich zu bleiben. Die Italiener sind auch nur Männer. Und sie gehen bestimmt nicht häufiger fremd als die Männer in anderen Ländern. Sie trennen sich nur seltener.«
»Ich hab ihm alles geglaubt, was er gesagt hat! Das hat sich so ECHT angefühlt, was da zwischen uns war.«
»Das ist es wahrscheinlich auch gewesen. Nur weil er verheiratet ist, heißt das ja nicht, das er nichts für dich empfunden hat.«
»Wie soll ich das bitte verstehen?«
»Erstens sind die Italiener bequem. Und zweitens ist das Scheidungsrecht in Italien ziemlich kompliziert. Es dauert bis zu fünfahre, wenn man sich trennen will. Wohnungen sind in den Großstädten nahezu unbezahlbar. Dazu kommt, dass den meisten der katholische Glaube eben doch noch tief im Blut steckt. Was Gott zusammenfügt, soll der Mensch nicht trennen.«
»Das hätte er ja auch einfach mal sagen können.«
»Ach komm, Dana. Überleg doch mal. Was hätte das geändert? Es hätte euch doch nur die zwei gemeinsamen Tage verdorben.«
»Aber jetzt habe ich das Gefühl, alles war gelogen.«
»Na und? Selbst wenn er alles erfunden hat. Es war doch eine gute Geschichte. Die du noch deinen Enkeln erzählen kannst. Die Wahrheit ist doch immer das, wofür wir sie halten. Willst du wirklich immer alles wissen und dich um eine fantastische Erinnerung bringen?«
»Nein!« Ich setze mich auf, schiebe ein Kissen zwischen Rücken und Bettlehne und ziehe die Knie an den Oberkörper.
»Na also. Dann komm ein wenig zur Ruhe, und ich mach hier mal weiter.« Ich weiß zwar, dass er Recht hat, aber kaum haben wir uns verabschiedet, spüre ich doch wieder diesen Schmerz in meiner Brust. So als ob eine kleine Ratte meine linke Herzkammer annagt. Ich lösche das Licht und rolle mich wieder zusammen, um zumindest für ein paar Minuten in die innere Emigration zu gehen.
Als das Telefon klingelt, schrecke ich auf. Ich muss eingeschlafen sein, denn mittlerweile ist es dunkel. In der Finsternis taste ich nach dem Lichtschalter und werfe dabei mein Handy vom Nachttisch. Es schlägt hart auf den Boden auf und zerspringt in seine Einzelteile. Dann finde ich den Hörer vom Hoteltelefon.
»Ja?«
»Dana, hier ist Giuseppe. Wo bleibst du? Wir waren doch verabredet.«
Giuseppe! Den hatte ich völlig vergessen.
»Gib mir fünf Minuten!«
»Okay. Bring einen Pullover mit, es könnte kühl werden.«
Ich bin gleich unten!«, rufe ich, während ich das Licht einschalte, vom Bett aufspringe und hastig die Einzelteile meines telefonino zusammensuche. Etwas außer Atem, laufe ich wenig später die Treppe hinunter, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Aber von Giuseppe ist in der Lobby nichts zu sehen. Ich blicke mich suchend
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