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Ave Maria - Roman

Ave Maria - Roman

Titel: Ave Maria - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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sehr geduldiger Mensch. Ich habe gelernt, auf das zu warten, was ich will.
    Da wir gerade von warten reden - von der Straße aus kann man wirklich nur schwer dein unglaubliches Haus einsehen. Aber ich habe deine süßen Kinderchen beobachtet - sogar mehrmals. Und ich war sicher, dass es mir irgendwann gelingen würde, mir irgendwie Zugang in dein Haus zu verschaffen. Aber heute hast du alles anders gemacht.
    Du bist ins Kino gegangen - mitten am Nachmittag, wie du es in Interviews behauptest. Vielleicht hast du den Geruch des Popcorns vermisst? Gehst du je mit deinen kleinen Mädchen ins Kino, Patsy? Das solltest du, weißt du. Wie man sagt, alles verändert sich wie im Flug.

    Anfangs ergab es für mich keinen Sinn. Als Promi bist du pausenlos beschäftigt. Aber dann habe ich es kapiert. Dein Geschäft sind Filme. Du musst sie ständig anschauen, aber jeden Abend wartet auch eine Familie auf dich. Du musst zum Abendessen mit Klein Lynne und Klein Laurie zu Hause sein. Wie alt sind die jetzt? Zwölf und dreizehn? Sie wollen, dass du da bist, und du willst auch dort sein. Das ist gut, glaube ich. Abgesehen von heute Abend. Da findet das Abendessen ohne dich statt. Eigentlich traurig, wenn man so drüber nachdenkt - und genau das tue ich gerade.
    Also, wie gesagt, du hast in der Loge in der neunten Reihe gesessen. Ich in der zwölften. Ich habe gewartet und deinen Hinterkopf betrachtet, dein brünettes gefärbtes Haar. Dorthin sollte die Kugel gehen. Jedenfalls stellte ich mir das in meiner Fantasie so vor. Soll man das denn nicht in Filmen zeigen? Flucht? Alles hinter sich lassen? Aber heutzutage sind die meisten Filme so deprimierend. Deprimierend dämlich oder deprimierend trostlos.
    Ich habe meine Waffe erst gezogen, nachdem der Film angefangen hatte. Mir hat nicht gefallen, dass ich solche Angst hatte. Du solltest Angst haben, du Angeberin. Aber du hattest ja keine Ahnung, was geschehen würde, nicht einmal, dass ich dort war. Du hattest ja völlig abgehoben.
    Ich habe einfach dagesessen, die Knarre im Schoß, und sie ewig lang auf dich gerichtet. Dann beschloss ich, ich wollte näher an dir dran sein - direkt über dir.
    Ich musste dir in die Augen schauen, nachdem du begriffen hast, dass man dich erschossen hat und du Lynne und Laurie nie wiedersehen würdest, auch nie wieder einen Film sehen, niemals wieder ein grünes Licht, niemals wieder Studioboss sein würdest.
    Aber als ich dich dann mit deinen großen Augen tot sah,
war das für mich glatt eine Überraschung. Es war für mein Nervensystem direkt ein Schock. Was war aus deiner berühmten aristokratischen Haltung geworden? Deshalb musste ich das Kino so schnell verlassen, ohne dich herzurichten.
    Aber das kann dir ja egal sein. Wie ist das Wetter dort, wo du jetzt bist, Patsy? Heiß, hoffe ich. Heiß wie im Hades, gibt es nicht diesen Ausdruck?
    Vermisst du deine Kinder? Bedauerst du irgendwas? Ich wette, ja. Ich an deiner Stelle würde bestimmt etwas bedauern. Aber ich bin ja kein Promi, nur einer der kleinen Leute.

18
    Neun Uhr und nichts war in Ordnung, um es milde auszudrücken.
    Detective Jeanne Gallettas vom LAPD war verblüffend sanft. Dabei sah sie aus, als könne sie einem alle Knochen brechen, wenn sie das wollte. Ihr orangefarbener kurzärmeliger Rolli zeigte ihren Bizeps. Dabei war sie schlank, hatte ein beeindruckend kantiges Gesicht und braune Augen, die einen zu durchbohren schienen.
    Ich starrte sie an, erwischte mich dabei und schlug die Augen nieder.
    »Agent Cross. Habe ich Sie warten lassen?«, fragte sie. »Nicht sehr lange«, antwortete ich. Ich war in Gallettas Position gewesen. Als Leiter der Ermittlungen bei hochprofilierten Fällen wollte jeder ein Stück deiner Zeit. Außerdem war mein Tag fast gelaufen, Detective Galletta musste aber wohl die ganze Nacht durcharbeiten. Dieser Fall verlangte es.
    Das Schlamassel war vor ungefähr zwölf Stunden in ihrem Schoß gelandet. Angefangen hatte es im West-Büro in Hollywood, aber Serienfälle wurden automatisch hierher ins Spezialmordkommissariat weitergegeben. Technisch gesprochen konnte man die Mary-Smith-Morde nicht als Serienmorde klassifizieren, bis man mindestens vier Morde eindeutig zurechnen konnte, aber das LAPD hatte entschieden, vorsichtshalber eine Ausnahme zu machen. Und ich teilte diese Entscheidung - nicht, dass mich jemand nach meiner Meinung gefragt hätte.
    Die Medienberichterstattung über diesen Fall und der
nachfolgende Druck auf die Polizei waren bereits intensiv.

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