Letztendlich gelang es mir, sämtliche Fragen zu stellen, aber ich brauchte fast doppelt so lang, wie ich gedacht hatte, als ich zur Times ging. Griner brauchte ständig Beruhigung. Ich bemühte mich, ihm diese zu geben, ohne total unehrlich zu sein. Schließlich war er in Gefahr.
»Noch eine letzte Frage«, sagte Griner, ehe ich ihn verließ. »Glauben Sie, ich sollte ein Buch über das alles schreiben? Oder wäre das ein bisschen krank?«
Ich machte mir nicht die Mühe, diese Frage zu beantworten. Er hat in Yale studiert, also sollte er das selbst herausfinden können.
16
Nach der Befragung ging ich zu Arnold Griners Schreibtisch, wo Paul Lebleau saß, der Leiter der Technischen Abteilung des LAPD, die Mary Smiths E-Mails zurückverfolgte.
Er tippte auf Griners Computer, während er mir alles in Schnellfeuergeschwindigkeit erklärte. »Zwei E-Mails kamen durch zwei unterschiedliche Proxy-Server. Die erste stammt aus einem Cyber-Café in Santa Monica. Das wissen Sie wohl schon. Das heißt, Mary Smith könnte eine von mehreren hundert Personen sein. Ziemlich unwahrscheinlich, dass sie eine Kreditkarte benutzt hat, oder? Sie hat zwei unterschiedliche Adressen. Bis jetzt. Beide nur generische Hotmail-Konten, die uns gar nichts sagen, höchstens, dass sie sich fürs Erste in der Bibliothek an der USC eingeschrieben hat. Am Tag vor der ersten Nachricht.«
Ich musste mich konzentrieren, um Lebleaus Gedankenblitzen folgen zu können. Waren hier alle hyperaktiv? »Was ist mit der zweiten E-Mail?«, fragte ich.
»Wurde nicht von derselben Adresse wie die erste gesendet. So viel kann ich Ihnen sagen.«
»Kam sie aus der L.A.-Gegend? Können Sie mir so viel sagen?«
»Weiß ich noch nicht.«
»Wann werden Sie es wissen?«
»Wahrscheinlich heute Abend, aber das bringt wohl nicht allzu viel.« Er beugte sich vor und beäugte intensiv mehrere Zeilen des Codes auf dem Monitor. »Mary Smith weiß, was sie tut.«
Da war es wieder: »sie«. Ich verstand, weshalb alle dieses Pronomen verwendeten. Ich auch - aber nur, weil es sich anbot.
Das bedeutete keineswegs, dass ich überzeugt war, dass die Morde von einer Frau begangen worden waren. Jedenfalls noch nicht. Die Briefe an Griner konnten in der Rolle irgendeiner Person geschrieben worden sein. Aber wer hatte sie wirklich geschrieben?
17
Hoffe, du genießt deinen Urlaub, Alex. Hast du jede Menge Spaß?
Ich nahm Kopien der beiden bizarren E-Mails mit und machte mich auf den Weg zu einer Besprechung mit dem LAPD. Das Büro der Kriminalpolizei befand sich nur eine viertel Meile von den Büros der Times , was in Los Angeles ein Wunder war, denn es wurde allgemein behauptet, man brauche fünfundvierzig Minuten, um in der Stadt irgendwohin zu gelangen.
Oh, der Urlaub ist klasse. Ich sehe alle Attraktionen. Auch den Kids gefällt es riesig. Nana schwebt auf Wolke neun.
Ich ging ganz langsam zum LAPD, las unterwegs die beiden E-Mails nochmal. Auch wenn der Absender in eine Rolle geschlüpft war, stammten sie doch aus dem Kopf des Killers.
Ich begann mit der ersten, die die letzten Momente in Patsy Bennetts Leben schilderte. Dabei lief es einem tatsächlich eiskalt über den Rücken. Es war das Tagebuch eines Psychopathen.
An:
[email protected] Von: Mary Smith
An Patrice Bennett:
Ich habe dich umgebracht.
Ist der Satz nicht klasse? Ich finde schon. Hier ist noch einer, den ich sehr mag.
Jemand, ein völlig Fremder, wird deine Leiche in der neunten
Reihe der Loge im Westwood Village Theater finden. Dich, Patrice Bennett.
Denn dort bist du heute gestorben, während du deinen letzten Film angesehen hast, der übrigens nicht besonders gut war. »The Village«? Was hast du gedacht? Was hat dich an diesem Tag ins Kino geführt, am Tag deines Todes, um »The Village« zu sehen?
Du hättest daheim bleiben sollen, Patsy. Bei deinen süßen kleinen Kinderchen. Dorthin gehört eine gute Mammi. Findest du nicht auch? Obwohl du viel Zeit zu Hause verbringst und Drehbücher liest und übers Telefon Studiopolitik betreibst.
Ich habe lang gebraucht, um nah an dich heranzukommen. Du bist in deinem Studio wirklich ein VIP, und ich bin nur ein Niemand, der Filme auf Video anschaut und im Fernsehen »Entertainment Tonight« und »Access Hollywood«. Ich konnte nicht mal durch den großen Torbogen am Eingang zu deinem Studio gehen. Neiiin, null Chance!
Ich konnte nur deinen dunkelblauen Aston Martin hineinund hinausfahren sehen. Und das Tag für Tag. Aber ich bin ein