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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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ich ihr Gesicht hinter dem Schleier nicht sehen konnte, wußte ich doch, daß ihr Blick auf den Himmel über dem Berggipfel gerichtet war. Ich war auch sicher, daß sie ihren Willen auf irgendein unbekanntes Objekt konzentrierte, denn ihr ganzer Körper zitterte wie ein Rohr im Wind.
    Es war ein sehr eigenartiger Vormittag: kalt und klar, doch ohne den leisesten Wind, und die Luft war drückend und schwer, wie vor einem Schneesturm, obwohl es dafür noch viel zu früh war. Ein- oder zweimal glaubte ich in dieser atemlosen Stille ein leichtes Beben zu verspüren; nicht das gewöhnliche Zittern eines Erdbebens, sondern die ganze Atmosphäre schien zu vibrieren. Es war, als ob die Natur ein lebendes Wesen wäre, das irrsinnige Angst hatte.
    Als ich Ayeshas ernstem, angespanntem Blick folgte, sah ich, daß sich an dem klaren Himmel nacheinander und in rascher Folge dichte, dunkle Wolken bildeten; sie sammelten sich über dem Gipfel des Berges und jede von ihnen hatte einen schwefelig gelb glühenden Rand. Als ich zu diesen phantastischen, drohenden Wolken hinaufsah, sagte ich zu Ayesha, es sähe aus, als ob das Wetter umschlagen würde – keine sehr originelle Bemerkung, muß ich zugeben, doch schien sie mir den Umständen angemessen.
    »Ja«, antwortete sie, »bevor es Nacht geworden ist, wird das Wetter wilder sein als selbst mein Herz. Nicht länger sollen sie in Kaloon nach Wasser schreien! Sitz auf, Holly, sitz auf! Der Angriff beginnt!« Ohne jede Hilfe sprang sie in den Sattel ihrer Stute, die Oros ihr gebracht hatte.
     
    In der Mitte von fünftausend Reitern zogen wir auf die Furt zu. Als wir das Ufer erreichten, sah ich, daß die beiden Divisionen der Stammeskrieger je eine halbe Meile links und rechts von uns ihre Furten erreicht hatten. Was aus ihnen wurde, kann ich nicht sagen, da wir bald alle Hände voll zu tun hatten, doch erfuhr ich später, daß sie sich zum anderen Ufer durchkämpften, wenn auch unter blutigen Opfern auf beiden Seiten.
    Uns gegenüber stand die Hauptmacht der Armee Atenes, in Blocks der Regimenter am anderen Ufer gestaffelt, während mehrere hundert ausgesuchter Männer bis zu den Hüften im Wasser standen, um uns oder unsere Pferde zu speeren, wenn wir vorrückten.
    Die Männer unserer Führungsgruppe stießen ihre wilden, pfeifenden Schreie aus und galoppierten in den Fluß, und sofort entbrannte ein erbitterter Kampf mit den Soldaten Kaloons, die sie in der Flußmitte erwarteten. Während dieses blutige Gemetzel tobte, lenkte Oros sein Pferd neben das Ayeshas – wir waren am Ufer zurückgeblieben – und berichtete ihr, ein Spion habe gemeldet, daß Leo gefesselt in einem zweirädrigen Jagdwagen, begleitet von Atene, Simbri und einer kleinen Eskorte, während der Nacht durch das Lager des Feindes gekommen, und sie ohne Aufenthalt in Richtung auf Kaloon weitergaloppiert seien.
    »Spar dir deine Worte! Ich weiß es längst«, antwortete Ayesha.
    Unsere Schwadronen gewannen, nachdem sie die meisten Feinde im Fluß niedergemacht hatten, das andere Ufer, wurden dort jedoch sofort mit der Masse der Truppen Atenes angegriffen und unter schrecklichen Verlusten zurückgeworfen. Dreimal wiederholten sie den Ansturm auf das andere Ufer, und dreimal trieb der Feind sie wieder in den Fluß zurück.
    Schließlich wurde Ayesha ungeduldig. »Sie brauchen einen Führer, und ich will ihnen einen geben!« rief sie. »Komm, mein Holly!« Und gefolgt von der Hauptmacht ihrer Reiter ritt sie ein kleines Stück in den Fluß hinein und wartete dort, bis die in die Flucht geschlagene Truppe – was von ihr übriggeblieben war – uns erreicht hatte.
    Oros flüsterte mir zu: »Dies ist Wahnsinn. Die Hesea wird im Kampf fallen.«
    »Glaubst du?« gab ich zurück. »Ich glaube eher, daß wir beide getötet werden.«
    Sein Lächeln verstärkte sich noch ein wenig, und er zuckte die Achseln, denn trotz seiner Sanftheit war Oros ein überaus tapferer Mann. Ich vermute sogar, daß er diese Befürchtung nur geäußert hatte, um mich zu prüfen, und sehr wohl wußte, daß seine Herrin unverwundbar war.
    Ayesha hob ihre rechte Hand, in der sie keine Waffe hielt, und ließ den Arm nach vorn schnellen. Ein lauter Jubelruf begleitete dieses Signal zum Angriff, und in der Mitte der Reiter trieb eine zarte Frau in einer weißen Robe ihr Pferd in die Fluten des Flusses.
    Zwei Minuten später flogen Speere und Pfeile so hageldicht, daß sie die Sonne zu verdunkeln schienen. Ich sah links und rechts von mir Reiter und

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