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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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Leibwache, der riesige, rotbärtige Häuptling, der in die Geschichte mit dem Schneeleoparden verwickelt gewesen war, murmelte ebenfalls ein paar Worte des Zweifels. Während ich noch versuchte, zu verstehen, was er sagte, trat plötzlich, ein Stück voraus, eine weiße Gestalt ins helle Mondlicht, und wir sahen, daß es Ayesha war, von Kopf bis Fuß in einen weißen Schleier gehüllt.
    Der Häuptling sah sie ebenfalls und sagte befriedigt: »Hes! Hes!«
    »Sieh sie dir an«, knurrte Leo. »Sie flaniert hier umher, als ob dies der Hyde Park sei.« Und er begann auf sie zuzulaufen.
    Die Gestalt wandte sich um und winkte uns, ihr zu folgen. Dann glitt sie weiter, zwischen den Skeletten hindurch, die auf dem Lavaboden der Schlucht verstreut waren. Dann trat sie in den Schatten der gegenüberliegenden Klippe, die das Mondlicht nicht erreichte. Hier rann während der feuchten Jahreszeit ein kleiner Bach in einem Bett, das er sich im Lauf der Jahrtausende in den Fels gegraben hatte, und der Sand und die Kiesel, die er herabgeschwemmt hatte, bedeckten den Lavagrund der Schlucht, so daß einige der Skelette fast ganz damit bedeckt waren.
    Sie waren, wie ich feststellte, als auch wir in den tiefen Schatten traten, an dieser Stelle besonders zahlreich, denn zu allen Seiten sah ich die weißen Rundungen von Schädeln, die aus den Aufschüttungen hervortretenden Enden von Rippen und Knochen. Anscheinend, überlegte ich, bildete das Bachbett den Zugang zu der oberhalb der Schlucht gelegenen Ebene und war in einer lange zurückliegenden Schlacht hart umkämpft worden.
    Hier war Ayesha stehengeblieben und blickte überlegend auf das mit Geröll und großen Steinbrocken bedeckte Bachbett, als ob sie darüber nachdächte, ob es sich für ihre morgigen Pläne irgendwie nutzen ließ. Jetzt traten wir auf sie zu, und der Priester, der uns geführt hatte, blieb zusammen mit unserer Wache zurück, da sie sich der Hesea nicht ohne ausdrückliche Aufforderung zu nähern wagten. Leo war ein Stück voraus, vielleicht sieben oder acht Meter vor mir, und ich hörte ihn sagen: »Warum gehst du nächtens an einen solchen Ort, Ayesha, es sei denn, es wäre wirklich so, daß du unverwundbar bist?«
    Sie antwortete nicht. Sie wandte sich nur zu uns um, breitete beide Arme aus und ließ sie wieder sinken. Während ich mich noch fragte, was diese Geste bedeuten mochte, hörte ich aus den Schatten, auf allen Seiten, seltsame, rasselnde Geräusche.
    Ich blickte umher, und – oh! – Überall erhoben sich die Skelette aus ihren sandigen Betten. Ich sah ihre weißen Schädel, ihre schimmernden Arm- und Beinknochen, ihre hohlen Rippen. Die in einer längst vergessenen Schlacht Erschlagenen waren wieder zum Leben erwacht – und in ihren Händen hielten sie die geisterhaften Konturen von Speeren.
    Natürlich wußte ich sofort, daß es sich hier wieder einmal um eine Manifestation von Ayeshas magischen Kräften handelte, zu deren Demonstration sie uns, aus einer Laune heraus, aus dem Schlaf hatte holen lassen. Und doch muß ich gestehen, daß ich Angst hatte. Selbst die tapfersten Männer, und seien sie noch so weit von jedem Aberglauben entfernt, werden die Nerven verlieren, wenn sie um Mitternacht auf einem Friedhof stehen und sehen, wie sich die Toten aus ihren Gräbern erheben. Und die Umgebung, in der wir uns befanden, war wilder und unheimlicher, als die einer jeden zivilisierten Begräbnisstätte.
    »Was für ein Teufelskram ist dies?« rief Leo mit ängstlicher und zugleich wütender Stimme.
    Doch Ayesha antwortete nicht.
    Ich hörte ein Geräusch hinter mir und fuhr herum. Die Gerippe griffen unsere Leibwächter an, die, gelähmt vor Entsetzen, ihre Waffen fallengelassen und sich zu Boden geworfen hatten: einige von ihnen waren sogar auf die Knie gesunken. Die Skelette begannen nun, sie mit ihren Phantomspeeren abzustechen, und ich sah, wie die Männer zusammenbrachen und reglos liegenblieben.
    Die verschleierte Gestalt deutete mit ihrer Hand auf Leo und befahl: »Ergreift ihn!«
    Ich kannte die Stimme. Es war die Stimme Atenes!
    Zu spät sah ich die Falle, in die wir arglos getappt waren.
    »Verrat!« schrie ich, doch bevor das Wort von meinen Lippen war, sprang ein besonders kräftig wirkendes Skelett auf mich zu und versetzte mir einen furchtbaren Schlag auf den Kopf. Obwohl ich nicht mehr sprechen konnte und zu Boden ging, wurde ich jedoch nicht sofort bewußtlos. Ich sah, wie Leo sich verzweifelt gegen den Angriff mehrerer Skelette zur Wehr

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