Ayesha - Sie kehrt zurück
Pferde getroffen ins Wasser sinken, doch weder Speer, noch Pfeil, noch Schwertstreich trafen mich oder die weiße Robe, hinter der ich ritt. Nach fünf Minuten hatten wir das jenseitige Ufer erreicht, und hier kam es zum Höhepunkt des Kampfes.
Er war hart, grausam und blutig, doch nicht einmal wich die weiße Robe auch nur um eine Handbreit zurück, und wo sie ritt, folgten ihr ihre Männer, oder sie fielen. Von allen Seiten drangen die Feinde auf uns ein, doch wir kämpften uns langsam durch ihre Masse hindurch, so wie ein Schiff sich durch eine widrige See schiebt, die es wohl hemmen und schütteln, jedoch nicht aufhalten kann. Ja, weiter und weiter drangen wir vor, bis die Reihen der Feinde vor uns dünner und dünner wurden, von dem lebenden Keil der Reiter gespalten nach beiden Seiten gedrängt von dem Ansturm zerbrochen wurden – und verschwunden waren.
Wir hatten die Hauptmacht des Feindes durchstoßen und überließen es nun den Stammeskriegern, die uns folgten, mit dem Rest fertigzuwerden, ritten noch eine halbe Meile weiter und sammelten uns. Viele waren gefallen, und noch mehr verwundet, und Ayesha gab den Befehl, daß alle schwer verwundeten Männer zurückbleiben und ihre Pferde den anderen übergeben sollten, als Ersatz für die Tiere, die getötet worden waren.
Dies wurde getan, und kurz darauf ritten wir weiter. Dreitausend Reiter – mehr waren von den fünftausend nicht übriggeblieben – galoppierten nach der Stadt Kaloon, über die endlose Ebene, bis gegen Mittag oder etwas später – diese Route war erheblich kürzer als die, welche Leo und ich auf unserer Flucht vor Rassen und seinen Hunden des Todes genommen hatten – am Horizont die Umrisse der Insel auftauchten, und auf ihr die Mauern und Zinnen der Stadt.
Nun befahl Ayesha Halt, weil wir uns bei einem Wasserreservoir befanden, aus dem die Pferde trinken konnten, während die Männer sich mit der Nahrung stärkten, die sie bei sich führten: Trockenfleisch und Gerstenfladen. Hier stießen auch zwei weitere Spione zu uns, die meldeten, daß die große Armee Atenes die Brücken und Mauern der Stadt Kaloon besetzt habe und ein Angriff mit unserer kleinen Streitmacht einem Selbstmord gleichkäme. Doch Ayesha kümmerte sich nicht um ihre Warnungen; sie schien ihnen nicht einmal zuzuhören. Sie befahl, daß alle ermüdeten Pferde hier zurückgelassen und frische Tiere gesattelt werden sollten.
Wieder ging es vorwärts, eine Stunde um die andere, und wir hörten kein anderes Geräusch als das Donnern der Pferdehufe. Ayesha sprach kein einziges Wort, und auch die wilden Männer ihrer Eskorte schwiegen; sie blickten sich nur von Zeit zu Zeit um und deuteten mit den blutgefärbten Spitzen ihrer Speere auf den roten Himmel hinter uns.
Ich wandte mich auch um, und niemals werde ich den Anblick vergessen, der sich mir bot. Die dunklen Wolken mit ihren feurigen Rändern hatten sich über den ganzen Horizont gebreitet, und unter ihnen lag die Ebene in einem tiefen, undurchdringlichen Schwarz. Sie zogen über uns herauf wie eine Armee der Himmel, und von Zeit zu Zeit schossen Dampfstrahlen aus ihnen hervor, wie dünne Schwertklingen.
Unter diesem drohend düsteren Himmel lastete eine beklemmende Stille. Es war, als ob die Erde unter der Vorahnung bevorstehender Schrecken gestorben sei.
Kaloon, das in einem fahlen, unheimlichen Licht lag, war jetzt nur noch wenig Meilen entfernt. Die Vorposten und Plänkler des Feindes waren vor uns geflohen, doch sie hatten dabei ihre Speere erhoben, und spöttisch und triumphierend gelacht. Jetzt sahen wir die Massierung der Feinde auf den Brücken und Mauern der Stadt, und ihre Seidenbanner hingen in der reglosen Luft schlaff herab.
Eine Gruppe von Parlamentären ritt auf uns zu, und auf ein Zeichen Ayeshas hin zügelten wir unsere Pferde. Führer der Parlamentäre war ein Lord des Hofes, den ich kannte.
Er zügelte sein Pferd und sagte mit selbstsicherer, arroganter Stimme: »Höre, Hes, auf die Worte Atenes, der Khania von Kaloon. Der fremde Lord, dein Geliebter, ist Gefangener des Palastes. Wenn du angreifst, werden wir dich und deine kleine Bande vernichten; doch falls du durch irgendein Wunder den Sieg über uns erringen und die Stadt erobern solltest, wird er sterben. Reite zurück zu deinem Berg, dann wird dir die Khania den Frieden und deinen Leuten ihr Leben schenken. Welche Antwort gibst du mir auf die Worte der Khania?«
Ayesha flüsterte Oros etwas zu, worauf dieser rief: »Keine Antwort.
Weitere Kostenlose Bücher