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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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Flieht, wenn dir dein Leben lieb ist, denn der Tod nähert sich euch.«
    Also rissen sie ihre Pferde herum und galoppierten zur Stadt zurück. Ayesha aber saß eine Weile schweigend, tief in Gedanken versunken.
    Endlich hob sie den Kopf, und durch den dünnen Schleier sah ich, daß ihr Gesicht bleich war, und nie werde ich seinen wilden Ausdruck vergessen, oder ihre Augen, die wie die einer Löwin bei der Nacht glühten.
    »Holly«, sagte sie zu mir, und sie preßte ihre Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Bereite dich darauf vor, in den Schlund der Hölle zu blicken. Ich wollte sie verschonen, wenn es möglich gewesen wäre, das schwöre ich dir bei meinem Herzen; aber mein Herz sagt mir auch, daß ich jetzt hart sein und jedes menschliche Mitleid beiseite schieben muß, daß mir geboten ist, meine ganze, geheime Macht einzusetzen, wenn ich Leo lebend wiedersehen will. Holly, ich sage dir: sie sind dabei ihn zu ermorden!«
    Dann rief sie mit lauter Stimme: »Fürchtet euch nicht, Häuptlinge! Ihr seid nur wenige, doch mit euch streitet die Kraft von tausend mal tausend. Folgt jetzt der Hesea, und was immer auch geschieht, fürchtet euch nicht. Wiederholt euren Männern, was ich euch eben gesagt habe. Befehlt ihnen, daß sie ohne Furcht der Hesea durch die Masse der Feinde und über jene Brücke in die Stadt Kaloon folgen sollen.«
    Nun ritten die Häuptlinge unter ihren Männern hin und her und riefen ihnen die Worte der Hesea zu, und die wilden Männer schrien zurück: »Ja! Wir, die wir ihr durch das Wasser gefolgt sind, werden ihr jetzt auch über die Ebene folgen. Voran, Hes! Denn die Dunkelheit verschlingt uns.«
    Nun erschallten Befehle, und die Kompanien stellten sich zu einer Formation zusammen, die einem riesigen Keil ähnelte. Ayesha selbst war Spitze und Apex dieses Keils, denn obwohl Oros und ich uns bemühten, sie in die Mitte zu nehmen, gelang es uns doch nie, an ihre Seite zu kommen, so sehr wir unsere Pferde auch antreiben mochten. An der Spitze der dunklen Masse ihrer Reiter war sie ein gleißender, weißer Fleck – eine schneeweiße Feder am Busen eines dunklen Flusses.
    Ein schmetterndes Hornsignal – und wie zwei riesige, umklammernde Arme schossen aus ihren Deckungen in Pappelwäldern am Flußufer Kavallerieformationen auf uns zu, um uns einzuschließen, während gleichzeitig vor uns die breite Front der feindlichen Hauptmacht auftauchte, deren Speere so dicht standen wie die Stacheln eines Igels, und sie stürmte auf uns zu wie ein riesiger Brecher, unzählige Reihen bewaffneter Männer, ein Menschenmeer, das sich auf uns ergoß.
    Unser Ende schien unvermeidlich. Wir hatten die Schlacht verloren, noch bevor sie begonnen hatte. So sah es jedenfalls aus.
    Ayesha riß sich den Schleier vom Gesicht und hielt ihn hoch empor, wie eine Standarte. Und auf ihrer Stirn glühte das mystische Diadem aus Licht, das ich nur einmal dort gesehen hatte.
    Dichter und dichter schoben sich die dunklen Wolken über uns ineinander, und heller und heller glühte das unirdische Licht unter ihnen, auf der Stirn Ayeshas. Lauter und lauter dröhnte das Donnern der Hufe von zehntausend Pferden. Aus dem Gipfel des Berges weit hinter uns schossen plötzlich grelle Flammen; er spuckte Feuer, so wie ein Wal eine Wasserfontäne ausstößt.
    Es war ein grausiges Bild: Vor uns die Türme von Kaloon in dem fahlen, harten Licht eines unnatürlichen Sonnenuntergangs; über uns das Dunkel einer Sonnenfinsternis; über der düsteren, knochentrockenen Ebene die tiefhängenden, düsteren Wolken mit ihren feurigen Rändern. Vor uns und zu beiden Seiten die angreifenden Regimenter Atenes, deren Masse unseren Keil von Reitern, wie es schien, in wenigen Minuten zermalmen würde.
     
    Ayesha ließ ihre Zügel fallen. Sie riß beide Arme empor und winkte mit dem zerfetzten weißen Schleier, wie um dem Himmel ein Zeichen zu geben.
    Im gleichen Augenblick schossen Flammen aus dem dunklen Rachen der unheiligen Nacht, die gleichfalls wie ein zerfetzter, hin und her geschwenkter Schleier in den schwarzen Händen der Wolken wirkte.
    Jetzt ließ Ayesha den Donner ihrer Nacht auf die Kinder Kaloons stürzen. Sie rief, und die Schrecken folgten ihrem Befehl, und es waren Schrecken, wie sie Menschen noch nie gesehen hatten und vielleicht nie wieder sehen werden. Eisige Orkanböen schossen über uns hinweg, rissen Steine und Erde aus dem Boden, und mit dem Orkan kamen Hagel und ein waagrecht gepeitschter Regen, der von den Pfeilen

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