Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
Vom Netzwerk:
Wächter des Tores nennt. Wasser ...« Und ich ließ mich kraftlos zurückfallen.
    Sie blieb stehen und steckte rasch das Messer zurück. Dann nahm sie eine Schale Milch vom Tisch und hielt sie mir an die Lippen. Dabei blickte sie mir prüfend ins Gesicht, und in ihren Augen stand ein Ausdruck von Leidenschaft, Wut und Angst. Ich trank die Milch wie ein Verdurstender, obwohl mir das Schlucken noch nie in meinem Leben so schwer gefallen war.
    »Du zitterst«, sagte sie. »Haben Träume dich gequält?«
    »Ja, mein Freund«, antwortete ich, »Träume von der furchtbaren Schlucht und dem Sturz ins reißende Wasser.«
    »Sonst nichts?«
    »Nein. Ist das nicht genug? Oh! Was für eine Reise haben wir auf uns genommen, um eine Königin zu treffen.«
    »Um eine Königin zu treffen?« wiederholte sie verblüfft. »Was meinst du damit, Mann? Schwörst du, daß du keine anderen Träume gehabt hast?«
    »Ja, ich schwöre es bei dem Symbol des Lebens, bei dem Berg der zuckenden Flamme, und bei dir selbst, o Königin vergangener Tage.«
    Dann seufzte ich und tat, als ob ich bewußtlos würde, weil ich nicht wußte, was ich sonst noch sagen oder tun konnte. Als ich meine Augen schloß, sah ich, daß ihr Gesicht, das vom Zorn gerötet war, plötzlich bleich wurde, denn meine Worte und ihre nicht ausgesprochene Implikation hatten genau ins Schwarze getroffen. Doch sie zweifelte noch immer, denn ich hörte, wie ihre Finger am Heft ihres Messers spielten. Dann sagte sie leise, im Selbstgespräch: »Ich bin froh, daß er keine anderen Träume gehabt hat, denn wenn dem so gewesen wäre und er davon geredet hätte, wäre das ein böses Omen gewesen, und ich will nicht, daß jemand, der so weit gereist ist, um uns zu besuchen, zu den Hunden des Todes hinabgestoßen werden muß; vor allem nicht einer, der trotz seines Alters und seiner Häßlichkeit die Miene eines weisen und verschwiegenen Mannes trägt.«
    Während ich über diese unangenehmen Andeutungen zitterte – obwohl ich mir nichts unter den ›Hunden des Todes‹ vorstellen konnte, zu denen Menschen hinabgestoßen wurden –, hörte ich zu meiner maßlosen Erleichterung die Schritte des Wächters auf den Stufen, hörte ihn ins Zimmer treten und sah, wie er sich vor der Lady verneigte.
    »Wie geht es den Kranken, Nichte?« sagte er mit seiner kühlen Stimme.
    »Sie sind bewußtlos«, antwortete sie.
    »Wirklich? Ich hatte den Eindruck, daß sie wach seien.«
    »Was hast du gehört, Schamane?« fragte sie wütend.
    »Ich? Oh, ich hörte das Knirschen eines Dolches in seiner Scheide und das ferne Bellen der Hunde des Todes.«
    »Und was hast du gesehen, Schamane«, fragte sie weiter, »als du durch das Tor blicktest, das du bewachst?«
    »Seltsame Dinge, Khania, meine Nichte. Aber ... die Männer erwachen aus der Bewußtlosigkeit.«
    »So ist es«, antwortete sie. »Und bevor dieser hier erwacht, trage ihn in einen anderen Raum. Er braucht Abwechslung, und dieser Mann dort drüben mehr Platz und reinere Luft.«
    Der Wächter, den sie Schamane, d.h. Zauberer oder Medizinmann, genannt hatte, hielt eine Lampe in der Hand, und bei ihrem Licht sah ich durch halbgeschlossene Lider sein Gesicht. Er zeigte einen seltsamen Ausdruck, der mich sehr stark beunruhigte. Von Anfang an hatte ich diesem alten Mann mißtraut, dessen Gesichtszüge sowohl Rachsucht, als auch Kompetenz verrieten; jetzt bekam ich Angst vor ihm.
    »In welchen Raum, Khania, meine Nichte?« fragte er betont.
    »Ich denke«, antwortete sie langsam, »in einen Raum, der seine Gesundheit fördert. Der Mann ist weise«, fügte sie hinzu, als ob diese Erklärung notwendig wäre; »außerdem wäre es angesichts des Befehls, den wir vom Berg erhielten, gefährlich, wenn ihm etwas zustieße. Doch warum fragst du?«
    Er hob die Schultern. »Ich habe dir gesagt, daß ich die Hunde des Todes bellen hörte, das ist alles. Ja, ich bin mit dir einer Meinung und glaube auch, daß er weise ist, und die Biene, die nach Honig sucht, muß an der Blüte saugen – bevor sie verwelkt! Außerdem gibt es, wie du sagst, Befehle, mit denen man nicht scherzen sollte, selbst wenn man ihre Bedeutung nicht erkennt.«
    Dann trat er zur Tür, blies in seine Pfeife, und kurz darauf hörte ich die Schritte seiner Diener auf der Treppe. Er gab ihnen einen Befehl, und sie nahmen die Matratze auf, auf der ich lag, und trugen mich durch mehrere Gänge und an einer Treppe vorbei in einen anderen Raum, der genauso aussah, wie der, den wir verlassen hatten,

Weitere Kostenlose Bücher