Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
Vom Netzwerk:
vielen alten Überlieferungen, daß die Vergangenheit nicht so leicht in Vergessenheit geraten konnte.
    Dann kamen böse Tage, da viele, die die Straße in alten Zeiten gekannt hatten, sie nicht wiedererkannten, und viele sie kennenlernten, die sie zuvor nicht gekannt hatten, und fortzogen, denn ihre Aussprache war grob und grell und ihre Mienen und Gesichter abstoßend. Auch ihre Gedanken lagen mit dem weisen, aufrechten Geist der Straße in Fehde, so daß die Straße sich schweigend abhärmte, als ihre Häuser verfielen und ihre Bäume einer nach dem anderen abstarben und ihre
    Rosengärtlein von Schilf und Unkraut überwuchert wurden.
    Aber eines Tages verspürte sie wieder eine Regung von Stolz, als die jungen Männer neuerlich fortmarschierten, von denen einige nicht mehr zurückkehrten. Diese jungen Männer waren blau gekleidet.
    Im Lauf der Jahre befiel die Straße ein noch schlimmeres Mißgeschick. Ihre Bäume waren jetzt alle verschwunden und ihre Rosengärten ersetzt durch die Rückseiten häßlicher Neubauten in Parallelstraßen. Und doch blieben die Häuser, trotz des Zahns der Zeit und der Stürme und Würmer bestehen, denn sie waren so gebaut worden, daß sie vielen Generationen dienen konnten. Neue Gesichter zeigten sich auf der Straße, dunkelhäutige, unheimliche Gesichter mit verschlagenen Augen und sonderbaren Zügen, deren Besitzer fremdartige Worte sprachen und Schilder mit bekannten und unbekannten Buchstaben auf den meisten der feuchten Häuser anbrachten. In den Rinnsteinen stand ein Handwagen am anderen. Ein scheußlicher, undefinierbarer Gestank lag über dem Ort, und der uralte Geist schlief.
    Über die Straße kam wieder einmal große Aufregung. Krieg und Revolution tobten jenseits der Meere.
    Eine Dynastie war verjagt worden, und ihre degenerierten Untertanen strömten aus zweifelhaften Beweggründen in das Land des Westens. Viele von ihnen schlugen ihre Heimstatt in den heruntergekommenen Häusern auf, die einst Vogelgesang und Rosenduft gekannt hatten. Dann erwachte das Land des Westens selbst und schloß sich dem Mutterland in seinem Titanenkampf um die Zivilisation an. Über den Städten flatterte wieder einmal die alte Flagge, begleitet von der neuen Flagge und einer einfacheren und doch glorreichen Trikolore. Über der Straße aber flatterten nicht viele Flaggen, denn in ihr brüteten nur Furcht und Haß und Unwissenheit. Wiederum zogen junge Männer hinaus, aber nicht ganz so wie die jungen Männer der früheren Tage. Es fehlte etwas. Und die Söhne dieser jungen Männer von einst in eintönigem Oliv, beseelt vom wahren Geist ihrer Vorfahren, brachen aus allen Himmelsrichtungen auf und wußten nichts von der Straße und ihrem uralten Geist.

    Jenseits der Meere kam es zu einem großen Sieg, und die meisten der jungen Leute kehrten in Triumph zurück. Jenen, denen etwas gefehlt hatte, fehlte nichts mehr, und dennoch hingen Furcht und Haß und Unwissenheit noch immer drückend über der Straße, denn viele waren nicht zurückgekommen, und viele Fremde aus der Ferne waren in die uralten Häuser eingezogen. Und die jungen Männer, die zurückgekehrt waren, wohnten dort nicht mehr. Die meisten der Fremden waren dunkelhäutig und unheimlich, doch waren unter ihnen auch einige wenige Gesichter zu finden, die jenen ähnelten, die die Straße geprägt und ihren Geist geformt hatten. Ähnlich und doch nicht ähnlich, denn in den Augen aller gab es ein unheimliches, ungesundes Glitzern wie von Neid, Ehrgeiz, Rachsucht oder irregeleitetem Fanatismus. Unruhe und Verrat herrschten im Ausland unter einigen wenigen Bösen, die sich verschworen, um dem Land des Westens den Todesstoß zu versetzen, auf daß sie über seinen Ruinen zur Macht gelangen könnten, so wie in jenem unglücklichen, eisigen Land, aus dem die meisten gekommen waren, Meuchelmörder die Macht ergriffen hatten. Und das Herz dieser Verschwörung schlug in der Straße, deren verfallene Häuser von ausländischen Unruhestiftern wimmelten und von Ideen und Reden jener widerhallten, die den vorherbestimmten Tag aus Blut, Feuer und Verbrechen herbeisehnten.
    Über verschiedene merkwürdige Ansammlungen auf der Straße vermochten Vertreter des Rechts viel zu berichten, aber sie hatten wenig zu beweisen. Äußerst vorsichtig schlichen Männer mit versteckten Dienstabzeichen um solche Orte wie Petrovitch' Bäckerei, die verwahrloste Rifkin-Schule für Moderne Wirtschaft, den Zirkel Sozialer Klub und das Freiheits-Cafe herum. Dort fanden

Weitere Kostenlose Bücher