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Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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sprach meinen Sinn für das Phantastische lebhaft an. Unser Haus lag nahe am damaligen Rand des bewohnten Gebietes, so daß mir die wogenden Felder, Steingemäuer, riesigen Ulmen, gedrungenen Bauernhäuser und weiten Wälder des ländlichen Neuengland ebenso vertraut waren wie die alte Stadtlandschart. Diese dumpfe, einfache Landschaft schien mir eine unausgelotete, umfassende Bedeutung zu bergen, und manche finstere bewaldete Niederungen in der Nähe des Seekonk Rivers erlangten für mich eine Aura der Seltsamkeit, die sich mit einem verschwommenen Grauen mischte. Sie beherrschten meine Träume, besonders die Alpträume, in denen mir. düstere, geflügelte biegsame Geschöpfe erschienen, die ich »Nachtgespenster« nannte.
    Als ich sechs Jahre alt war, kam ich durch verschiedene leichtverständlich gehaltene Jugendschriften mit der griechischen und römischen Mythologie in Berührung, die mich tief prägte. Ich war kein Araber mehr, sondern wurde zu einem Römer. Übrigens kam mir das alte Rom seltsam vertraut vor, und ich identifizierte mich mit ihm, allerdings nicht ganz so stark wie mit dem achtzehnten Jahrhundert. In gewisser Hinsicht ging beides Hand in Hand, denn als ich die Klassiker im Original entdeckte, denen die Kindergeschichten entnommen worden waren, las ich sie überwiegend in Übersetzungen aus dem späten 17. und dem 18. Jahrhundert. Meine Phantasie wurde ungeheuer beflügelt, und eine Zeitlang kam es mir in der Tat so vor, als könnte ich in gewissen altehrwürdigen Hainen Faune und Dryaden mit dem Blick erhaschen. Ich pflegte Altäre zu errichten und Pan, Apollo und Minerva Opfer darzubringen.6
    Ungefähr zu dieser Zeit wirkten die unheimlichen Illustrationen von Gustave Dore - die ich in Dante- und Milton-Ausgaben und im »Alten Matrosen« fand - tief auf mich ein. Zum erstenmal begann ich, selbst zu schreiben. Den ersten Versuch, an den ich mich erinnern kann - die Erzählung von einer entsetzlichen Höhle -, verbrach ich im Alter von sieben Jahren und nannte ihn
    »Der edle Lauscher«.
    Die Geschichte ist nicht erhalten, doch besitze ich noch immer zwei lächerlich infantile literarische Gehversuche aus dem folgenden Jahr: »Das geheimnisvolle Schiff« und »Das Geheimnis des Grabes«, deren Titel meine Geschmacksrichtung hinreichend verraten.
    Im Alter von acht Jahren zeigte ich starkes Interesse an den Wissenschaften, das zweifellos durch die geheimnisvoll anmutenden Abbildungen
    »philosophischnaturwissenschaftlicher Instrumente« im Anhang von Websters Unabridged Dictionary geweckt wurde. Zuerst kam die Chemie, und bald nannte ich ein verlockendes kleines Labor im Keller unseres Hauses mein eigen. Dann kam die Geographie, die auf mich eine unheimliche Faszination ausübte und sich auf die Antarktis und die unwegsamen Gefilde ferner Wunder konzentrierte.
    Schließlich erwachte in mir das Interesse für die Astronomie, und die Verlockung anderer Welten und undenkbarer
    kosmischer Abgründe überschattete lange Zeit nach meinem zwölften Geburtstag alle anderen Interessen. Ich gab eine kleine hektographierte Zeitschrift heraus, das »Rhode Island Journal of Astronomy«, und endlich - im Alter von sechzehn Jahren -
    schaffte ich tatsächlich den Durchbruch und wurde in einer Zeitung gedruckt. Ich veröffentlichte Aufsätze zu
    astronomischen Fragen, steuerte für eine Lokalzeitung monatliche Artikel über Himmelserscheinungen bei und bombardierte die ländliche Wochenzeitungen mit
    umfangreicheren vermischten Beiträgen.7 In der High School -
    die ich einigermaßen regelmäßig besuchen konnte - begann ich, unheimliche Geschichten von gewisser Stimmigkeit und Ernsthaftigkeit zu verfassen. Der größte Teil davon war Schund, und mit achtzehn vernichtete ich die meisten. Ein bis zwei erreichten vielleicht das Durchschnittsniveau der Groschenhefte.
    Von allem habe ich mir nur »Das Tier in der Höhle« (1905) und
    »Der Alchimist« (1908) aufgehoben. In diesem Stadium hatten Wissenschaft und Klassik den Hauptanteil an meiner unermüdlichen, umfangreichen schriftstellerischen Tätigkeit.
    Unheimliche Geschichten spielten lediglich eine relativ unbedeutende Rolle. Die Wissenschaft hatte mir den Glauben an das Übernatürliche genommen, und im Augenblick fesselte mich die Wahrheit stärker als alle Träume. Philosophisch bin ich noch immer mechanistischer Materialist. Was meine Lektüre anging, las ich Wissenschaftliches, Historisches, schöngeistige Literatur, unheimliche Geschichten und völlig

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