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Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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halben Stunde zeigten sich Anzeichen von Überhitzung an meinem eigenen Waggon. Nach einem nervenzermürbenden Halt beschloß das Zugpersonal, daß alle Lager überholt werden müßten, nachdem wir mit einem Viertel der Geschwindigkeit zur nächsten Station weitergekrochen waren, wo es Werkstätten gab - die Fabrikstadt Queretaro. Das brachte das Faß zum Überlaufen, und ich stampfte beinahe wie ein Kind mit den Füßen auf. Zuweilen überraschte ich mich dabei, wie ich meinen Lehnsessel anschob, als wollte ich den Zug schneller als im Schneckentempo vorwärtsschieben.
    Es war beinahe zehn Uhr abends, als wir in Queretaro einfuhren, und ich verbrachte eine quälende Stunde auf dem Bahnsteig der Station, während mein Waggon auf ein Seitengleis geschoben wurde und sich ein Dutzend einheimische Mechaniker daran zu schaffen machten. Schließlich teilten sie mir mit, daß die Aufgabe ihre Kräfte überstiege, da für die vorderen Laufräder neue Ersatzteile benötigt würden, die nur in Mexico City erhältlich waren.
    Alles schien sich gegen mich verschworen zu haben, und ich knirschte mit den Zähnen, wenn ich daran dachte, daß Feidon sich immer weiter entfernte - vielleicht in den bequemen Unterschlupf Vera Cruz mit seinen Schiffahrtsverbindungen oder Mexico City mit seinen Eisenbahnanschlüssen -, während mich neue Verzögerungen hilflos machten. Natürlich hatte Jackson die Polizei aller Städte in der Umgebung verständigt, aber ich wußte aus leidvoller Erfahrung, wie es um die Leistungsfähigkeit der mexikanischen Polizei bestellt war.
    Das beste, was ich machen konnte, war, wie ich schnell herausfand, den regulären Nachtschnellzug nach Mexico City zu nehmen, der aus Aguas Calientes kam und in Queretaro fünf Minuten Aufenthalt hatte. Wenn er keine Verspätung hatte, würde er um ein Uhr nachts eintreffen und am Samstag um fünf Uhr morgens in Mexico City sein. Als ich mir die Fahrkarte kaufte, stellte ich fest, daß der Zug aus europäischen Wagen mit Abteilen bestand, statt aus langen amerikanischen Waggons mit Reihen zweisitziger Bänke. In den Anfangstagen des mexikanischen Eisenbahnwesens hatte man sie häufig benutzt, da beim Bau der ersten Bahnlinien europäische Bauinteressen involviert waren, und 1889 setzte die mexikanische Zentralverwaltung noch immer eine Anzahl von ihnen auf kürzeren Strecken ein. Gewöhnlich bevorzuge ich
    amerikanische Wagen, denn ich hasse es, wenn mir Leute von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen. Aber diesmal freute ich mich über den ausländischen Wagen. Zu dieser
    nachtschlafenen Zeit standen die Aussichten gut, daß ich ein ganzes Abteil für mich allein haben würde, und in meinem erschöpften, nervlich überreizten Zustand war mir die Einsamkeit willkommen - nicht weniger der bequem gepolsterte Sitz mit weichen Armlehnen und Kopfkissen, der so breit war wie das ganze Abteil. Ich kaufte mir eine Fahrkarte erster Klasse, holte meinen Koffer aus dem Privatwaggon auf dem Nebengleis, informierte telegraphisch sowohl Präsident McComb wie auch Jackson über das Geschehene und machte es mir auf der Station gemütlich, um den Nachtschnellzug so geduldig zu erwarten, wie es meine überstrapazierten Nerven erlaubten.
    Wunder über Wunder, der Zug hatte nur eine halbe Stunde Verspätung. Dennoch hatte die einsame Wache in der Station meiner Geduld den Rest gegeben. Der Schaffner, der mich unter Bücklingen in mein Abteil führte, sagte zu mir, er erwarte, daß man die Verspätung aufholen und rechtzeitig die Hauptstadt erreichen werde. Ich streckte mich bequem auf dem Sitz in Fahrtrichtung aus und erwartete eine ruhige Fahrt von dreieinhalb Stunden Dauer. Das Licht der Öllampe an der Decke war beruhigend schwach, und ich fragte mich, ob ich trotz der Besorgtheit und Nervenanspannung nicht einen dringend benötigten Zipfel Schlaf erhaschen könnte, was mich ehrlich erfreut hätte. Meine Gedanken eilten voraus zu meiner Suche, und ich nickte im sich beschleunigenden Rhythmus der schneller werdenden Waggonskette.
    Plötzlich wurde ich gewahr, daß ich doch nicht allein war. In der Ecke mir gegenüber saß ein einfach gekleideter Mann von ungewöhnlicher Größe, den ich in dem schwachen Licht zuvor nicht bemerkt hatte, zusammengesunken, so daß sein Gesicht nicht zu sehen war. Neben ihm auf dem Sitz stand ein riesiger abgenutzter Koffer, der so vollgestopft war, daß er sich wölbte, und den er selbst im Schlaf mit einer gar nicht zu ihm passenden schlanken Hand umklammert

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