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Azazel

Titel: Azazel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
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doch ich blieb höflich. »Ich interessiere mich für alle seltsamen Worte«, sagte ich. »Was ist Speläologie?«
    »Höhlen«, sagte er. »Das Studium und die Erforschung von Höhlen. Das ist mein Hobby, Sir. Ich habe auf allen Kontinenten Höhlen erforscht, ausgenommen die Antarktis. Ich weiß mehr über Höhlen als jeder andere auf der Welt.«
    »Hochinteressant«, sagte ich, »und beeindruckend.« Im Gefühl, daß ich damit eine höchst unbefriedigende Begegnung beendet hatte, winkte ich der Kellnerin, damit sie mir einen neuen Drink brachte, und studierte mit rein wissenschaftlicher Neugier ihren wippenden Gang durch den Raum.
    Hannibal West indessen kam nicht zur selben Schlußfolgerung. »Ja«, sagte er und nickte nachdrücklich, »Sie haben ganz recht, beeindruckend. Ich habe Höhlen erforscht, die der Welt unbekannt sind. Ich habe unterirdische Grotten betreten, wo nie ein Mensch seine Fußspuren hinterlassen hat. Ich gehöre zu den wenigen Zeitgenossen, die gewesen sind, wo noch kein Mann, und, was das betrifft, auch keine Frau je gewesen ist. Ich habe Luft geatmet, die bis dahin mit keiner menschlichen Lunge Kontakt hatte, und habe Dinge gesehen und gehört, die niemand sonst gesehen und gehört hat - und ich habe überlebt.« Er erschauerte.
    Mein Drink kam; ich nahm ihn dankbar entgegen und bewunderte die Anmut, mit der die Kellnerin sich vornüberbeugte und ihn auf den Tisch vor mir stellte. »Sie sind ein glücklicher Mann«, sagte ich, obwohl ich geistig nicht ganz bei der Sache war.
    »Das bin ich nicht«, sagte West. »Ich bin ein jämmerlicher Sünder, den der Herr auserkoren hat, die Sünden der Menschheit zu rächen.«
    Jetzt endlich sah ich ihn eingehender an und bemerkte ein fanatisches Funkeln, das mich fast an der Wand festnagelte. »In Höhlen?« fragte ich.
    »In Höhlen«, sagte er ernst. »Glauben Sie mir. Als Professor der Geologie weiß ich, wovon ich rede.«
    Ich hatte in meinem Leben zahlreiche Professoren kennengelernt, die das nicht wußten, verkniff mir aber jede diesbezügliche Bemerkung.
    Vielleicht las West meine Meinung in meinen ausdrucksstarken Augen, denn er fischte einen Zeitungsausschnitt aus einer Aktentasche zu seinen Füßen und gab ihn mir. »Hier!« sagte er. »Sehen Sie sich das an!«
    Ich kann nicht sagen, daß er eine eingehendere Betrachtung gerechtfertigt hätte. Es war ein Artikel, drei Absätze, aus einer Lokalzeitung. Die Schlagzeile lautete >Ein dumpfes Grollen<, die Meldung betraf East Fishkill, New York. Es war eine Schilderung, wonach dortige Einwohner sich wegen eines dumpfen Grollens, das sie beunruhigte und unter der Katzen- und Hundepopulation der Stadt nicht unerhebliche Aufregung verursachte, bei der Polizei beschwert hatten. Die Polizei tat es als Lärm eines fernen Gewitters ab, obwohl die Meteorologen aufgebracht betonten, daß an jenem Tag in der gesamten Region überhaupt keines aufgetreten sei.
    »Was halten Sie davon?« fragte West.
    »Könnte es eine kollektive Verdauungsstörung gewesen sein?«
    Er schnaubte höhnisch, als wäre dieser Einwand ganz und gar lächerlich, aber keiner, der je Verdauungsstörungen hatte, würde das so sehen.
    »Ich habe ähnliche Meldungen aus Zeitungen in Liverpool, England; Bogota, Kolumbien; Mailand, Italien und Rangun, Birma und rund fünfzig weiteren Orten auf der ganzen Welt«, sagte er. »Ich habe sie gesammelt. In allen ist von einem durchdringenden dumpfen Grollen die Rede, das Furcht und Nervosität auslöste und Tiere rasend machte, und alle stammen aus einem Zeitraum von zwei Tagen.«
    »Ein einziger weltweiter Vorfall«, sagte ich.
    »Exakt! Schöne Verdauungsstörungen.« Er sah mich stirnrunzelnd an, trank einen Schluck von seinem Drink und schlug sich auf die Brust. »Der Herr gab mir eine Waffe in die Hand, und ich muß lernen, damit umzugehen.«
    »Was ist das für eine Waffe?« fragte ich.
    Er antwortete nicht direkt. »Ich fand die Höhle zufällig«, sagte er, »was ich sehr begrüße, denn eine Höhle, deren Öffnung zu sichtbar ist, ist Allgemeingut und wird von lausenden besucht. Zeigen Sie mir eine schmale, verstecke Öffnung, von Vegetation überwuchert, von heruntergefallenen Felsbrocken verdeckt, hinter einem Wasserfall verborgen, an einer praktisch unzugänglichen und gefährlichen Stelle gelegen, und ich zeige Ihnen eine jungfräuliche Höhle, die eine Erforschung rechtfertigt. Sie sagen, Sie wissen nichts über Speläologie?«
    »Natürlich war ich schon in Höhlen«, sagte ich.

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