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Azazel

Titel: Azazel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
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möchte betonen, daß dies nie geschehen ist, aber die Angst davor verdarb mir oft die Lust am Essen.
    Oder wirf einen Blick auf die Bushaltestelle dort drüben. Seit fünfzehn Minuten beobachte ich sie nun schon. Du wirst bemerkt haben, daß bisher kein Bus gekommen ist und daß es heute sehr windig ist und allmählich spätherbstlich kalt wird. Wie man sehen kann, haben die Leute die Kragen hochgeschlagen und die Hände in die Taschen gesteckt. Ihre Nasen sind rot oder blau angelaufen, und sie treten von einem Fuß auf den anderen, um sich aufzuwärmen. Dennoch macht niemand einen Aufstand, keine Fäuste werden zornig gen Himmel geschüttelt. Die Menschen, die dort warten, haben sich mit den Ungerechtigkeiten des Lebens abgefunden.
    Nicht so Mordecai Sims. Wenn er an dieser Bushaltestelle stünde, würde er auf die Straße springen und den fernen Horizont nach Fahrzeugen absuchen. Er würde vor sich hin brummeln und murren und mit den Armen fuchteln. Er würde zu einem Protestmarsch zum Rathaus aufrufen. Kurz gesagt - er würde seinem Adrenalin freien Lauf lassen.
    Wie oft hat er sich bei mir darüber beschwert! Wie so viele andere fühlte er sich von meiner kühlen Ausstrahlung angezogen, die Kompetenz und Verständnis verrät.
    »Ich bin ein vielbeschäftigter Mann, George«, sagte er dann gehetzt. Er redete stets in einem gehetzten Tonfall. »Es ist eine Schande, ein Skandal und ein Verbrechen, wie sich die Welt gegen mich verschworen hat. Neulich mußte ich wegen einiger Routine-Untersuchungen ins Krankenhaus - Gott weiß, warum, außer daß mein Arzt dummerweise der Meinung ist, er müßte an mir Geld verdienen -und mir wurde mitgeteilt, ich solle mich um 9:40 Uhr auf dieser und jener Station einfinden. Ich bin natürlich pünktlich um 9:40 Uhr dort eingetroffen, nur um am Empfangstisch ein Schild vorzufinden, auf dem stand: >Geöffnet ab 9:30 Uhr<. Genau das stand dort, George - auf Deutsch, ohne daß auch nur ein Buchstabe nicht gestimmt hätte. Hinter dem Empfangstisch saß jedoch kein Mensch. Ich warf noch einmal einen Blick auf die Uhr und sprach dann jemanden an, der so trübsinnig aussah, daß er zum Krankenhauspersonal gehören mochte. >Wo, bitte schön<, sagte ich, >ist der namenlose Unhold, der hinter diesem Empfangstisch sitzen sollte ?< >Noch nicht da<, sagte der nichtswürdige Schurke.
    >Dort steht aber, daß ab 9:30 Uhr geöffnet ist.< >Früher oder später wird schon jemand kommen<, erwiderte er mit boshafter Gleichgültigkeit.
    Dabei befand ich mich in einem Krankenhaus. Ich hätte im Sterben liegen können. Und kümmerte das jemanden? Nein! Die Frist für ein wichtiges Projekt, auf das ich all mein Herzblut verwandt hatte und mit dem ich genug Geld verdienen würde, um meine Arztrechnung zu bezahlen (vorausgesetzt, ich fand keine bessere Verwendung dafür, was unwahrscheinlich war), rückte immer näher. Und kümmerte das jemanden? Nein! Erst um 10:04 Uhr tauchte endlich jemand auf, und als ich zum Empfangstisch eilte, maß der verspätete Teufel mich mit einem abschätzigen Blick und sagte: >Sie müssen warten, bis Sie aufgerufen werden.<«
    Mordecai war voller Geschichten dieser Art; über Fahrstühle, die langsam aufwärts fuhren, während er in der Eingangshalle wartete; über Menschen, die von zwölf bis drei Uhr vierzig zur Mittagspause waren und ihre viertägigen Wochenenden am Mittwoch antraten, immer dann, wenn er sie sprechen mußte.
    »Ich frage mich, warum sich überhaupt jemand die Mühe gemacht hat, die Zeit zu erfinden, George«, sagte er immer. »Wenn es sich dabei nur um einen Vorwand handelt, um neue Methoden zu erfinden, sie zu verschwenden. Ist dir bewußt, daß ich meine Produktivität um zehn bis zwanzig Prozent erhöhen könnte, wenn ich die Stunden, die ich allerlei unverschämtem Gesindel zuliebe mit Warten zubringe, zum Schreiben nutzen könnte? Ist dir außerdem klar, daß dies, trotz des verbrecherischen Geizes der Verleger, eine entsprechende Steigerung meines Einkommens bedeuten würde? - Wo bleibt diese verfluchte Rechnung?«
    Ich kam auf den Gedanken, daß es eine nette Geste wäre, ihm zu einem höheren Einkommen zu verhelfen, da er soviel Geschmack besaß, einen Teil davon auf mich zu verwenden. Außerdem hatte er ein Gespür dafür, stets die erstklassigsten Restaurants auszuwählen, und dabei wurde mir immer ganz warm ums Herz. - Nein, kein Vergleich zu diesem hier, mein alter Freund. Dein Geschmack läßt einiges zu wünschen übrig, was man - soweit ich

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