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Azazel

Titel: Azazel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
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wie selbstverständlich an, daß er da sein würde.
    Und das war auch der Fall.
    Der Kellner rieb sich die Hände, verbeugte sich und servierte das Essen mit Schnelligkeit, Anmut und Effizienz.
    Ich sagte: »Du scheinst eine ganz erstaunliche Glückssträhne zu haben, Mordecai, mein Freund. Wie erklärst du dir das?« (Zugegebenermaßen habe ich einen Augenblick daran gedacht, ihn davon zu überzeugen, daß ich dafür verantwortlich war. Wenn er das wüßte, würde er mich dann nicht mit Gold überhäufen oder - in diesen profanen Zeiten - mit Papier?)
    »Ganz einfach«, sagte er, steckte sich die Serviette in den Kragen und packte Messer und Gabel mit entschlossenem Griff, denn bei all seinen Tugenden war Mordecai kein Kostverächter. »Das hat nichts mit Glück zu tun. Es ist das zwangsläufige Ergebnis der Wendungen des Zufalls.«
    »Des Zufalls?«, erwiderte ich entrüstet.
    Mordecai sagte: »Sicher. Mein ganzes Leben lang mußte ich die erbärmlichste Kette von zufälligen Verzögerungen ertragen, die die Welt je gesehen hat. Die Gesetze des Zufalls erfordern es, daß eine solche Ansammlung von Pech ausgeglichen wird, und das geschieht gerade. Wahrscheinlich wird das für den Rest meines Lebens so weitergehen - davon gehe ich jedenfalls aus. Ich bin sogar sicher. Alles wird sich wieder ausgleichen.« Er beugte sich zu mir herüber und tippte mir auf überaus unangenehme Weise gegen die Brust. »Verlaß dich darauf. Die Gesetze der Wahrscheinlichkeit kann man nicht umgehen.«
    Während des gesamten Essens hielt er mir Vorträge über die Gesetze der Wahrscheinlichkeit, über die er - da bin ich ziemlich sicher - genausowenig wußte wie du.
    Schließlich sagte ich: »Bestimmt kommst du jetzt viel mehr zum Schreiben?«
    »Selbstverständlich«, erwiderte er. »Ich schätze, die Zeit, die mir zum Schreiben zur Verfügung steht, hat sich um zwanzig Prozent erhöht hat.«
    »Und ich nehme an, deine Produktivität ist entsprechend gestiegen?«
    »Nun«, sagte er ein wenig unbehaglich, »noch nicht, fürchte ich. Natürlich muß ich mich erstmal darauf einstellen. Ich bin es nicht gewohnt, Dinge so schnell erledigen zu können. Das hat mich völlig überrascht.«
    Offen gestanden, wirkte er nicht überrascht. Er hob die Hand und nahm ohne hinzusehen die Rechnung entgegen, die der Kellner gerade gebracht hatte. Er warf einen flüchtigen Blick darauf und reichte sie zusammen mit einer Kreditkarte an den Kellner zurück, der tatsächlich genau darauf gewartet hatte und sich sogleich im Laufschritt entfernte.
    Das gesamte Essen hatte kaum mehr als dreißig Minuten in Anspruch genommen. Ich möchte dir nicht verschweigen, daß ich zivilisierte zweieinhalb Stunden vorgezogen hätte, mit einem Champagner vorab, einem Brandy hinterher, ein oder zwei guten Weinen zwischen den Gängen und gepflegter Unterhaltung in den Pausen. Mich versöhnte jedoch die Tatsache, daß Mordecai zwei Stunden gewonnen hatte, in denen er Geld scheffeln konnte - für sich, und in gewisser Weise ja auch für mich.
    Wie es sich ergab, sollte ich Mordecai nach diesem Essen beinahe drei Wochen lang nicht mehr sehen. Ich erinnere mich nicht mehr an den Grund dafür, aber ich vermute, daß wir damals abwechselnd nicht in der Stadt waren.
    Jedenfalls kam ich eines morgens aus einem Cafe, in dem ich mir gelegentlich ein Brötchen mit Rührei genehmige, als ich Mordecai etwa einen halben Häuserblock entfernt an der Straßenecke stehen sah.
    Es war ein furchtbarer Tag voller Schneeregen - ein Tag, an dem leere Taxis auf dich zurasen, nur um dir eine Ladung dunkelgrauen Schneematsch über die Hosenbeine zu spritzen, während sie an dir vorbeidonnern und ihr Taxischild ausschalten.
    Mordecai stand mit dem Rücken zu mir und hob gerade die Hand, als auch schon ein leeres Taxi vorsichtig auf ihn zugefahren kam. Doch zu meiner Verwunderung wandte Mordecai sich ab. Das Taxi zögerte einen Moment, dann fuhr es langsam davon - die Enttäuschung stand ihm förmlich auf die Windschutzscheibe geschrieben.
    Mordecai hob erneut die Hand, und aus dem Nichts tauchte ein zweites Taxi auf und hielt vor ihm an. Er stieg ein, doch selbst aus vierhundert Metern Entfernung konnte ich noch hören, wie er eine Salve von Kraftausdrücken abfeuerte, die für die Ohren wohlerzogener Menschen nicht geeignet sind, vorausgesetzt es gibt in dieser Stadt noch solche Menschen.
    Ich rief ihn am selben Vormittag an und verabredete mich mit ihm auf einen Cocktail in einer netten Bar, die wir

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