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Azazel

Titel: Azazel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
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vorstellen. Beide streckten zaghaft die Hand aus, als wären sie sich nicht sicher, ob ihre Visionen tatsächlich Substanz besaßen.
    Am späten Nachmittag brach Maggie dann endlich ihr langes Schweigen. »Dieser Mr. Ott scheint mir ein recht sonderbarer junger Mann zu sein«, sagte sie.
    Ich antwortete mit jener originellen Metapher, die sich bei all meinen Freunden großer Beliebtheit erfreut. »Du darfst ein Buch nicht nach seinem Einband beurteilen.«
    »Aber der Einband existiert nun einmal, Onkel George«, sagte sie ernst, »und wir dürfen das nicht außer acht lassen. Ich wage zu sagen, das die normale, frivole und gefühllose Frau nichts mit Mr. Ott zu tun haben möchte. Von daher wäre es ein Akt der Barmherzigkeit, ihm zu zeigen, daß nicht alle jungen Frauen vollkommen überheblich sind, sondern daß es wenigstens eine gibt, die sich nicht von einem jungen Mann abwendet, nur weil er so eine bedauerliche Ähnlichkeit hat mit - mit -«
    Sie machte eine Pause, da ihr kein passendes Mitglied des Tierreichs einzufallen schien, so daß sie kleinlaut, aber vergnügt fortfahren mußte: »- womit er eben Ähnlichkeit hat. Ich muß gütig zu ihm sein.«
    Ich weiß nicht, ob Octavius einen Vertrauten hatte, bei dem er seinem Herzen in derselben Weise Luft machen konnte. Vermutlich nicht, denn wenn überhaupt, dann sind nur die wenigsten von uns mit einem Onkel George gesegnet. Dennoch wage ich im Lichte späterer Ereignisse die Prognose, daß ihm genau dieselben Gedanken durch den Kopf gingen - natürlich in umgekehrter Weise.
    Wie auch immer, beide bemühten sich, freundlich zueinander zu sein, anfangs noch zaghaft und zögerlich, aber dann herzlich und zuletzt leidenschaftlich. Aus zufälligen Begegnungen in der Bibliothek wurden Besuche im Zoo, dann ein Abend im Kino, dann Tanzveranstaltungen, bis man die Zusammentreffen nur noch als -wenn du den Ausdruck verzeihen magst - Stelldichein bezeichnen konnte.
    Die Leute gingen davon aus, daß der andere nicht weit sein konnte, wenn sie einen der beiden sahen, denn sie waren ein unzertrennliches Paar geworden. Einige in der Nachbarschaft beschwerten sich bitterlich, daß Maggie und Octavius zusammen mehr waren, als das menschliche Auge ertragen konnte, und mehr als ein elitärer Hochnäsiger investierte in Sonnenbrillen.
    Ich will nicht sagen, daß es mir gänzlich an Verständnis für derlei Standpunkte gebrach, aber andere - toleranter und vermutlich vernünftiger - wiesen darauf hin, daß die Züge des einen durch einen sonderbaren Zufall genau komplementär zu den entsprechenden Zügen des anderen seien. Wenn man die beiden zusammen sah, schienen sich die Wirkungen gegenseitig aufzuheben, so daß man sie gemeinschaftlich leichter ertragen konnte als jeden für sich. Wenigstens behaupteten das einige.
    Schließlich kam der Tag, an dem Maggie zu mir hereinplatzte. »Onkel George, Octavius ist das Licht meines Lebens. Er ist stark, unbeirrbar, liebenswert und entschlossen. Er ist ein wunderbarer Mann.«
    »Innerlich, meine Liebe«, sagte ich, »ist er das alles ganz gewiß. Aber seine äußere Erscheinung -«
    »Bewundernswert«, sagte sie stark, unbeirrbar, liebenswert und entschlossen. »Onkel George, er empfindet so für mich, wie ich für ihn, und wir werden heiraten.«
    »Du und Otto?« entgegnete ich kläglich. Unwillkürlich sah ich die möglichen Nachkommen dieser Verbindung vor mir, und da wurde mir ganz plümerant.
    »Ja«, antwortete sie. »Er sagte mir, daß ich die Sonne seines Entzückens und der Mond seiner Freude bin. Und, fügte er hinzu, all seine Glückssterne obendrein. Er ist ein sehr poetischer Mann.«
    »Offenbar«, sagte ich nicht ohne Zweifel. »Wann werdet ihr denn heiraten?«
    »So schnell wie möglich«, sagte sie.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen. Das Aufgebot wurde bestellt, die Vorbereitungen getroffen, die Hochzeit fand statt, und ich selbst führte die Braut. Alle aus der Nachbarschaft nahmen aus reiner Fassungslosigkeit teil. Selbst der Priester konnte einen Augenblick seine Fassungslosigkeit nicht verbergen.
    Und keiner schien einen fröhlichen Blick für das junge Paar übrig zu haben. Die ganze Feierlichkeit über betrachteten die Anwesenden ihre jeweiligen Knie. Außer dem Priester. Der richtete den Blick starr auf das Rosettenfenster über der Tür.
    Kurze Zeit danach zog ich aus dem Viertel fort in einen anderen Stadtteil und verlor Maggie aus den Augen. Elf Jahre später allerdings hatte ich

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