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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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behaglich eingerichtetes Badezimmer ohne Fenster. Bremer blieb einen Moment unter der Tür stehen, um einen Gesamteindruck des Raumes in sich aufzunehmen, dann durchsuchte er ihn sehr gründlich, fand aber nichts außer den üblichen Badezimmeutensilien: Handtücher, Toilettenpapier und ein penibel aufgeräumter Schrank mit Wäsche, ein kleiner, nahezu leerer Medikamentenschrank über dem Waschbecken und ein Bademantel mit Monogramm und leeren Taschen, der säuberlich neben der Duschkabine aufgehängt war. Nicht das kleinste Stäubchen. Badewanne, Waschbecken und Dusche waren frisch poliert, und die Toilette blitzte vor Sauberkeit. Selbst das Klopapier war fast militärisch aufgereiht. Wenn es in der ganzen Wohnung so aussah, dachte Bremer, dann mußte Artner entweder eine übereifrige Putzfrau haben oder ein verfluchter Pedant sein.
    Der nächste Raum, den er durchsuchte, war das Schlafzimmer. Er brauchte sehr viel länger dazu, kam aber zum gleichen Ergebnis: Er fand nichts - was allerdings zu einem Gutteil daran liegen mochte, daß er gar nicht wußte, wonach sie eigentlich suchten - und war jetzt sicher, daß Artner einen Sauberkeitstick hatte - beziehungsweise gehabt hatte.
    Er traf Sendig im Wohnzimmer wieder, das nicht nur überraschend groß war, sondern auch einen radikal anderen Anblick bot als der Teil der Wohnung, den er durchsucht hatte: Die eine Hälfte des Raumes war so pedantisch aufgeräumt und sauber wie Bad und Schlafzimmer, die andere glich einem Chaos. Bremer hatte sich bemüht, alles so zu hinterlassen, wie sie es vorgefunden hatten, und nichts zu verändern, aber Sendig hatte da weniger Hemmungen: Als Bremer eintrat, fischte er gerade eine Reihe Taschenbücher vom Regal, um sie rasch durchzublättern und dann achtlos fallen zu lassen. Der Weg, den er genommen hatte, war genau nachzuverfolgen: Herausgerissene Schubladen, Schallplatten und achtlos verstreute CDs, die aus ihren Hüllen gerissen worden waren, Videocassetten und Papiere bildeten eine Trümmerspur, die Sendig wie eine emsige Verwüstungsmaschine mit erstaunlicher Schnelligkeit verlängerte.
    »Halten Sie das für klug?« fragte Bremer mißbilligend.
    »Was?« Sendig schien im ersten Moment gar nicht zu verstehen, was Bremer meinte. Dann senkte er den Blick, sah mit gespielter Betroffenheit auf das Chaos hinunter, das ihm mittlerweile fast bis zu den Waden reichte, und sagte: »Oh. Ich verstehe. Aber ich glaube nicht, daß es den verstorbenen Professor noch besonders stört, wissen Sie.«
    »Ihn nicht«, antwortete Bremer - wider besseres Wissen. Es hatte einfach keinen Sinn, mit Sendig zu diskutieren. Trotzdem fuhr er fort: »Aber vielleicht andere. Jemand könnte herkommen —«
    »- und annehmen, daß eingebrochen worden ist«, fiel ihm Sendig ins Wort und ließ das nächste Buch fallen. »Und? Haben Sie Angst, daß uns jemand anzeigt?« Er lachte. »Was sollen sie tun? Die Polizei rufen?«
    »Zum Beispiel.«
    »Ein Einbruch mehr oder weniger.« Sendig zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder dem Bücherregal zu. »Ich glaube nicht, daß es darauf ankommt. Nehmen Sie sich den Schrank vor, okay?«
    Bremer schluckte die zornige Entgegnung herunter, die ihm auf der Zunge lag. Es war nicht Sendigs Schuld. Er war gereizt, sehr viel mehr, als er zugeben wollte, und er kam sich tatsächlich wie ein Einbrecher vor. Rein juristisch betrachtet waren sie das auch - sie hatten weder einen Durchsuchungsbefehl noch irgendeinen zwingenden Grund diese Wohnung zu durchsuchen. Artner war tot, aber zu sterben war in diesem Land noch nicht strafbar. Was sie taten, hatte etwas von Leichenfledderei an sich, fand er.
    Verrückt. Bremer verstand sich selbst nicht mehr. Solche Gedanken waren ihm eigentlich fremd. Aber seit seinem unheimlichen Erlebnis im Wagen hatte er sich noch immer nicht richtig beruhigt. Natürlich war es nur eine Sinnestäuschung gewesen, und trotzdem... Etwas daran war so realistisch gewesen, daß ihm noch immer ein eisiger Schauer über den Rücken lief, wenn er daran zurückdachte. Und den größten Fehler hatte er anschließend begangen: Er hatte Sendig auf dem Weg hier herauf erzählt, was er für einen Moment im Spiegel zu sehen geglaubt hatte. Und auf dem Foto.
    Als hätte er seine Gedanken gelesen, sagte Sendig in diesem Moment noch einmal: »Ein Engel? Sie sind sicher, daß Sie einen Engel gesehen haben?«
    Diesmal konnte Bremer nicht mehr so tun, als hätte er die Frage überhört. »Ich habe überhaupt nichts

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