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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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er hatte nur die Wahl, zu flüstern oder zu schreien, und er wußte, wenn er seinem Zorn einmal freien Lauf ließe, würde er ihn nicht mehr beherrschen können. »Das ist völlig absurd!«
    »Entschuldige«, sagte sein Vater. »Ich weiß, wie du dich jetzt fühlen mußt. Vielleicht war ich ein bißchen ungeschickt. Aber das ändert nichts daran, daß es die Wahrheit ist. Dieses Mädchen —«
    » Dieses Mädchen « , fiel ihm Mark schneidend ins Wort, »ist gerade siebzehn Jahre alt. Sie ist weder eine Mitgiftjägerin noch eine neue Mata Hari, sondern nichts als ein Mädchen, das ich vor ein paar Stunden kennengelernt habe.«
    »Sie ist nichts für dich«, sagte sein Vater hart. »Glaub mir, ich weiß das besser als du.«
    »Wieso?« Marks Stimme wurde lauter. Er wollte nicht schreien. Er wollte seinem Vater diesen Triumph nicht gönnen, aber seine Kraft war erschöpft. Seine Hände zitterten immer heftiger, und sein Herz schlug jetzt so laut, daß es seine eigenen Worte zu übertönen schien. Zorn und Enttäuschung machten ihn fast rasend. »Vielleicht habe ich dir doch unrecht getan«, sagte er. »Du bist noch viel schlimmer, als ich gedacht habe.«
    »Mark!« sagte sein Vater scharf. »Hör mir zu! Du verstehst nicht, was -«
    »Ich verstehe sehr gut!« schrie Mark. »Es reicht dir immer noch nicht! Du glaubst immer noch, du könntest über mich bestimmen wie über etwas, das dir gehört! Aber das kannst du nicht, hörst du? Das wirst du nie wieder können!«
    »Mark!« sagte sein Vater erneut. »Bitte hör doch zu! Dieses Mädchen ist nicht das, was es zu sein vorgibt! Ich weiß, daß es weh tut. Es tut immer weh, wenn man begreift, daß man belogen wurde.«
    »Ja«, sagte Mark, »das stimmt. Wenigstens das habe ich von dir gelernt.«
    »Und es tut mir leid«, erwiderte sein Vater. »Darum versuche ich ja gerade, dich vor noch einem viel größeren Fehler zu bewahren!«
    »Fehler?« Mark lachte schrill. »Oh ja, ich habe einen Fehler gemacht! Es war ein Fehler, überhaupt hierher zu kommen. Ich hätte tun sollen, was ich von Anfang an vorhatte, und einfach verschwinden. Ich hätte dir niemals zuhören dürfen.«
    Er fuhr herum und wollte zur Tür gehen, aber sein Vater machte eine blitzschnelle Bewegung und ergriff ihn am Arm. Nicht nur, um ihn festzuhalten, sondern hart, fast schmerzhaft, und vielleicht war es die Art dieser Berührung, die unbedingten Gehorsam verlangte und keinen Widerspruch duldete, die den Faden endgültig zum Zerreißen brachte.
    Mark bewegte sich fast ohne eigenes Zutun. Mit einem zornigen Ruck riß er sich los und versetzte seinem Vater gleichzeitig mit der flachen Hand einen Stoß vor die Brust, der diesen zurücktaumeln ließ und vermutlich zu Boden geschleudert hätte, wäre er nicht gegen die Schreibtischkante geprallt. Das Zimmer schien sich plötzlich vor Marks Augen zu verdunkeln, alles drehte sich um ihn, und sein Herz schlug plötzlich so laut und schwer, daß das Geräusch den gesamten Raum auszufüllen schien: ein dunkles, maschinenhaftes Hämmern und Stampfen, das nicht länger mehr das Geräusch seines eigenen Herzschlages war, sondern der dröhnende Rhythmus aus seinem Traum. Die Bibliothek veränderte sich. Licht und Schatten tauschten ihre Plätze, und sein Gesichtsfeld schien sich zusammenzuziehen, bis darin nur noch Raum für das Gesicht seines Vaters war, das vor Staunen und Überraschung zu einer Grimasse wurde. Dahinter wuchs etwas Dunkles heran. Er hörte wispernde Stimmen und einen summenden, an- und abschwellenden Ton. Und für einen kurzen, zeitlosen Augenblick glaubte er flackernden Kerzenschein zu sehen.
    Bevor die Vision übermächtig werden konnte, fuhr er auf dem Absatz herum und rannte aus dem Zimmer.
    23. Kapitel
    Ich glaube fast, Sie haben recht«, sagte Sendig. »Sie könnte es sein.« Er hatte sich so weit vorgebeugt, daß sein Gesicht fast gegen die Scheibe stieß und das Glas unter seinem Atem beschlug, während er aus angestrengt zusammengekniffenen Augen zu der Gestalt auf der anderen Straßenseite hinüberstarrte. Bremer fragte sich allerdings, was er auf diese Weise zu erkennen hoffte. Sie standen sicherlich dreißig Meter vom Gartentor der Sillmann-Villa entfernt, noch dazu auf der anderen Straßenseite und in einem ungünstigen Winkel, entschieden zu weit, um das Gesicht des dunkelhaarigen Mädchens identifizieren zu können. »Sie ist es « , sagte er schlechtgelaunt. »Ich bin ganz sicher. Ich war ihr so nahe wie jetzt Ihnen.«
    Sendig wandte

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