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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gleichzeitig fragend an. Er hatte gehört, daß er etwas, aber nicht, was er gesagt hatte. Petri andererseits hatte für einen Moment fast Mühe, sich auf seine eigene Frage zu besinnen.
    »Ich sagte, daß ich es nicht für eine gute Idee halte, dorthin zu fahren«, wiederholte er schließlich.
    Sillmann lächelte flüchtig. »Ich auch nicht«, antwortete er. »Aber ich fürchte, daß es nicht mehr darum geht, was wir meinen, Doktor.«
    Petri zog die Unterlippe zwischen die Zähne und begann darauf herumzukauen: eine Angewohnheit, die er während seines Studiums abgelegt hatte. Jetzt, fast ein Menschenalter später, war sie wieder da. Eines der ehernen Gesetze des Universums: Nicht s verschwand wirklich. Nie. Er w ußte, wie sinnlos es war, aber er fuhr trotzdem fort: »Es könnte der entscheidende Fehler sein. Noch ist es nicht zu spät. Wir... wir könnten einfach abwarten. Vielleicht kommt er zurück, und ...«
    »Es ist zu spät, Doktor«, unterbrach ihn Sillmann. Er drehte weiter am Radio und überfuhr ein Stoppschild, ohne es auch nur zu merken. Hinter ihnen quietschten Bremsen, und ein wütendes, stakkatohaftes Hupen erscholl. Sillmann schien auch dies nicht einmal zu registrieren. »Waren das nicht Ihre eigenen Worte?«
    »Ich weiß, was ich gesagt habe«, antwortete Petri scharf. »Aber auch ich kann mich irren.«
    Sillmann lachte. »Ich kann mich an keinen Fall erinnern, in dem Sie sich geirrt hätten, Doktor.«
    »Irgendwann ist immer das erste Mal«, sagte Petri. Warum eigentlich? Er wußte doch, daß Sillmann recht hatte. Er sprach genau das Gegenteil von dem aus, was er selbst dachte, aber er konnte auch nicht damit aufhören. Vielleicht, dachte er, war das das erste wirkliche Anzeichen von Panik, das er selbst an sich bemerkte. »Verdammt, wenn Sie schon nicht auf meine Gefühle hören wollen, dann hören Sie wenigstens auf meinen Rat als Arzt. Es ist Wahnsinn, dorthin zu gehen.«
    »Falsch«, sagte Sillmann, »Es war Wahnsinn, Doktor. Aber diesen Fehler haben wir vor langer Zeit begangen. Jetzt zahlen wir dafür.«
    Petri drehte mit einem Ruck den Kopf und sah Sillmann an, aber dabei streifte sein Blick den Rückspiegel, und für einen ganz kurzen Moment war es ihm, als sähe er etwas darin. Noch während er antwortete, führte er die begonnene Bewegung fort und sah auf die Rückbank. Natürlich war sie leer. Was hatte er erwartet?
    »Sie haben diesen Fehler begangen, Sillmann, nicht ich«, antwortete er in scharfem, aber trotzdem ganz bewußt ruhigem Tonfall. »Nicht wir. Ich-«
    »Ich dachte, das hätten wir hinter uns«, unterbrach ihn Sillmann. Er wechselte schon wieder den Sender, schaltete das Radio dann mit einer zornig wirkenden Bewegung aus und gleich darauf wieder ein. »Wollen Sie aussteigen?«
    Petri wußte, daß er das gekonnt hätte. Sillmann hatte ihn nicht gezwungen, ihn zu begleiten, zumindest nicht in dem Sinn, daß er ihm gedroht oder ihn irgendwie erpreßt hätte. Manchmal waren es einfach die Umstände, die einen zwangen, Dinge zu tun, die man nicht wollte. Begangene Fehler, die sich rächten. Aber verdammt noch mal, es war einfach nicht fair. Er hatte einen einzigen Fehler gemacht. Nur einen: Aber er mußte ja auch nur mit einem Leben dafür zahlen.
    »Nein«, sagte er nach einer Weile. Sillmann hatte tatsächlich bereits den Fuß vom Gas genommen und ließ den Wagen langsamer rollen, aber Petri machte eine müde Handbewegung und sagte: »Fahren Sie weiter. Aber beantworten Sie mir eine Frage: Warum ausgerechnet dort? Woher wissen Sie, daß er dorthin kommen wird?«
    „Sillmann zuckte mit den Achseln. »Vielleicht weil es dort begonnen hat.«
    Und dort würde es enden. Ja, das war wohl die Erklärung. Es war ein Kreis, der sich schloß. Möglicherweise war dies eine der Ahnungen, an die zu glauben ihn das Leben gegen seine eigentliche Überzeugung gelehrt hatte - plötzlich wußte er, daß Sillmann recht hatte. Es würde dort enden, wo es begonnen hatte, an genau jenem Ort, der -
    Der...
    Diesmal konnte Petri ein ganz leises, erschrockenes Seufzen nicht mehr unterdrü cken. Sillmann bemerkte es, denn er wandte kurz den Kopf und sah ihn fragend und gleichermaßen besorgt an, sagte aber nichts, sondern konzentrierte sich nach einigen Sekunden wieder auf den Verkehr, der dichter wurde, je weiter sie sich dem Stadtzentrum näherten. Petri hätte ihm auch nicht geantwortet, hätte er seine Frage laut ausgesprochen.
    Er hatte versucht, sich den Ort vorzustellen, zu dem sie fuhren,

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