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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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überflüssig gewesen. Die Frage war vielmehr, was mit Mark noch stimmte, nicht umgekehrt.
    »Wie lange brauchen wir noch?«
    »Zehn Minuten«, antwortete Bremer - aber das war eigentlich mehr geraten als eine realistische Schätzung. Er kannte sich in diesem Teil der Stadt nicht besonders gut aus; Berlin war schließlich kein Dorf, und sein Revier lag fast am anderen Ende. Er war seit Jahren nicht mehr hiergewesen. Außerdem mußte er sich zusammenreißen, wenn er nicht riskieren wollte, daß ihre Fahrt abrupt an einem Baum oder dem Kühlergrill eines entgegenkommenden Wagens endete. Der Fehler gerade war vielleicht sein bisher größter gewesen, aber nicht der erste.
    »Zehn Minuten«, wiederholte Sendig. »Das ist lang.« Diesmal war der panische Ton in seiner Stimme auch beim besten Willen nicht mehr zu überhören. : Was zum Teufel ging dort hinten vor? Bremer sah nervös auf den Tachometer. Sie fuhren schon achtzig, selbst in einem Krankenwagen eine ziemlich sichere Methode, von der ersten Polizeistreife angehalten zu werden, der sie begegneten. Vor allem in einem gestohlenen Krankenwagen, der mit ausgeschalteter Sirene und ohne Blaulicht fuhr. Bremer berührte die entsprechenden Schalter und korrigierte diese Fehler.
    Er konnte Sendigs erschrockenes Keuchen über die Sprech anlage hinweg deutlich hören. »Bremer, sind Sie verrückt geworden? Was... was tun Sie?«
    »Ich verschaffe uns ein bißchen Zeit«, antwortete Bremer. Er gab Gas. Der Wagen beschleunigte auf neunzig, dann auf fast hundert Stundenkilometer. Die heulende Sirene und das zuckende blaue Licht scheuchten den Verkehr vor ihnen zwar zur Seite, aber noch schneller zu fahren wagte er trotzdem nicht.
    »Sie verschaffen uns die Aufmerksamkeit der gesamten Berliner Polizei«, stöhnte Sendig.
    »Aber die haben wir doch sowieso schon«, antwortete Bremer. Natürlich hatte Sendig recht - es war schon ein kleines Wunder, daß sie überhaupt so weit gekommen waren. Seit sie den Fabrikhof verlassen hatten, war praktisch keine Sekunde vergangen, in der er nicht damit gerechnet hatte, das Blaulicht eines Streifenwagens im Rückspiegel auftauchen zu sehen oder gleich den Scheinwerfer eines Polizeihubschraubers am Himmel. Wie sich die Dinge doch änderten, dachte Bremer spöttisch. Gestern um diese Zeit hatte er noch zu den guten Jungs gehört, und jetzt wurde er von seinen eigenen Kollegen gejagt.
    »Wahrscheinlich kommt es darauf auch schon nicht mehr an«, murmelte Sendig. »Also gut - aber wenn Sie schon schnell fahren müssen, dann beeilen Sie sich wirklich. Und geben Sie Bescheid, wenn wir uns der Fabrik nähern.«
    Er schaltete ab, und Bremer gab noch ein bißchen mehr Gas, allerdings nicht sehr viel. Die Sirene verschaffte ihnen ein wenig Luft, aber sie machte sie nicht unverwundbar. Für die nächsten Minuten mußte er seine gesamte Konzentration darauf verwenden, den Wagen heil durch den Verkehr zu bekommen: eine Aufgabe, die beinahe mehr von ihm verlangte, als er noch zu leisten imstande war. Zu der geistigen Erschöpfung kam nun allmählich auch ganz profane körperliche Müdigkeit. Trotzdem war er irgendwie froh darüber - auf diese Weise mußte er wenigstens für ein paar Minuten nicht über Sendig, Mark und die Schatten nachdenken. Und das, was sie erwartete.
    Seine Schätzung war aber trotz allem noch zu optimistisch gewesen. Obwohl er so schnell fuhr, wie er nur konnte, brauchten sie annähernd zehn Minuten, um Sillmanns Fabrik zu erreichen - und dann wäre er um ein Haar noch daran vorbeigerast. Im buchstäblich allerletzten Moment erkannte er die pappelgesäumte Zufahrt wieder und trat so hart auf die Bremse, daß im hinteren Teil des Wagens irgend etwas umfiel und klirrend zerbrach.
    Sendig selbst meldete sich eine halbe Sekunde später über die Sprechanlage. »Ich nehme an, das heißt, daß wir da sind«, sagte er säuerlich.
    »Ich sollte Ihnen doch Bescheid sagen, oder?« Bremer kurbelte heftig am Lenkrad und brachte das Kunststück fertig, den Wagen doch noch in die Einfahrt zu lenken, ohne die Hälfte der Pappeln auf der linken Seite abzurasieren. »Ist irgend etwas passiert?«
    »Nein«, sagte Sendig. »Aber halten Sie trotzdem für einen Moment an. Ich komme nach vorne. Ich will es genießen, wenn wir einen Looping schlagen.«
    Bremer bremste behutsam ab. Er ließ das Blaulicht laufen, schaltete aber die Sirene ab und lenkte den Wagen an den rechten Straßenrand. Der Weg war nicht mehr sehr weit, aber er konnte die Fabrik trotzdem

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