Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
aussah, hatte er Sendig unrecht getan.
    »Sehen Sie?« sagte Sendig. »Er wacht auf.«
    »Bedauern Sie es?« Bremer starrte sein Gegenüber durchdringend an, aber alles, was er außer Nervosität und der noch immer glimmenden Panik in seinen Augen las, war echte Erleichterung, das gleiche Gefühl, das auch er jetzt empfand. Der Gedanke, daß Mark sterben könnte, erschreckte ihn, aber erst im nachhinein wurde ihm wirklich klar, was die Alternative gewesen wäre. Möglicherweise war ein toter Mark Sillmann gefährlicher als ein lebender - aber ein schlafender war es ganz bestimmt.
    »Entschuldigung«, murmelte er.
    Sendig winkte ab. »Vergessen Sie's. Los jetzt. Wir haben genug Zeit verloren.«
    43. Kapitel
    Fuck it!« brummte Haymar kopfschüttelnd. »Der Kerl muß seinen Führerschein im Lotto gewonnen haben!« Er ließ das Nachtglas sinken, schüttelte ein paarmal heftig den Kopf und setzte das klobige Instrument dann wieder an. Der elektronische Restlichtverstärker färbte das Bild darin grün und übersteigerte die Konturen ebenso wie die Unterschiede zwischen Licht und Dunkelheit. Der Krankenwagen hob sich in Neongrün vor einem smaragdfarbenen Hintergrund ab, aber jedesmal, wenn das rotierende Blaulicht ins Bild geriet, schien sich eine dünne, glühende Nadel in seine Augen zu bohren. Das Gerät war nicht richtig eingestellt. Aber wenn er die Empfindlichkeit dämpfte, lief er Gefahr, den Wagen aus den Augen zu verlieren. Sie hatten Befehl, den größtmöglichen Sicherheitsabstand zu halten. Er hatte wenige Sätze mit Berger gewechselt, aber die Worte seines Vorgesetzten hatten an Deutlichkeit nichts zu wünschen übriggelassen. Konkret waren sie sogar sehr viel deutlicher gewesen, als Haymar sich gewünscht hätte. Einen zweiten Fehler wie den vorhin würde Berger ihm nicht durchgehen lassen. Wenn er den Wagen verlor oder die Polizisten bemerkten, daß sie verfolgt wurden, würde seine Arbeit in Zukunft darin bestehen, Papier in Reißwölfe zu stopfen.
    »Was tun sie da?« fragte Brauss, der neben ihm hinter dem Steuer saß und vergeblich versuchte, den Krankenwagen mit bloßem Auge zu erkennen. Sie waren einen guten Kilometer an der Abzweigung vorbeigefahren, ehe Haymar ihm bedeutet hatte, zu wenden und anzuhalten. Selbst das Blaulicht war nur als gelegentliches Funkeln zwischen den Bäumen zu erkennen, die die Zufahrt zu Sillmanns Fabrik säumten. Haymar überlegte einen Moment, ob er überhaupt antworten sollte. Brauss war ebenso neu wie der Wagen, in dem sie saßen; und so wie er gehörte er eindeutig zur zweiten Garnitur, zu den Leuten, die völlig zu Recht Papier in Reißwölfe stopften. Haymar wäre sehr viel wohler gewesen, wenn er einen wirklich guten Mann neben sich gewußt hätte. Leider war im Moment keiner greifbar -was von der ersten Garnitur in dieser Stadt noch übrig war, das waren er und Bergers persönliche Wache. Der Rest lag zu Asche verbrannt in einer schäbigen Gasse auf der anderen Seite der Stadt.
    Schließlich antwortete er doch. »Ich habe keine Ahnung. Wahrscheinlich sprechen sie sich gegenseitig Mut zu... Verdammt, fahrt endlich weiter!« Den letzten Satz hatte er geflüstert, aber er kam von Herzen. Sie und die beiden anderen Einheiten, die im Abstand von fünfhundert Metern vor und hinter ihnen angehalten hatten, taten ihr Bestes, um den Wagen abzuschirmen, aber sehr lange würde die Geschichte nicht mehr gutgehen. Haymar wunderte sich sowieso immer mehr, daß die beiden in dem Wagen dort drüben bisher noch nichts gemerkt hatten. Die größte Schwierigkeit während dieser Fahrt quer durch die Stadt war nicht gewesen, von Sendig und Bremer unbemerkt zu bleiben. Sie hatte darin bestanden, dafür zu sorgen, daß ihnen nicht auffiel, daß niemand versuchte, sie anzuhalten. Es gab etliche tausend Polizeibeamte in dieser Stadt. Sie konnten sie nicht alle im Auge behalten. Früher oder später würde garantiert irgendein übereifriger Streifenpolizist auftauchen und den gestohlenen Krankenwagen erkennen, nach dem die ganze Stadt suchte.
    Er beobachtete, wie die Fahrertür des Krankenwagens aufgestoßen wurde, eine Gestalt ins Freie sprang und verschwand. Ein Teil des Bildes glühte in hellem Grün auf, als die Türen geöffnet wurden und Licht aus dem Inneren des Krankenwagens ins Freie fiel. Haymar fluchte, ließ hastig das Glas sinken und fuhr sich mit den Handknöcheln über die Augen.
    »Warum schnappen wir uns die beiden nicht einfach?« fragte Brauss. »Es sind doch nur zwei

Weitere Kostenlose Bücher