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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mit ihm los?
    Der Aufzug summte mit enervierender Langsamkeit nach oben. Bremer starrte wie hypnotisiert auf die wechselnden Lichter, die das jeweils passierte Stockwerk anzeigten, und als die Sieben der Acht wich und sich die Lifttüren vor ihm spa l teten, hatte er sich wieder völlig in der Gewalt. Er verstand noch immer nicht, was gerade mit ihm los gewesen war, aber er war Profi genug, diese Frage auf später zu vertagen; die Liste der unangenehmen Dinge, die ihn in dieser Nacht noch erwarten mochten, war auch so schon lang genug.
    Bremer trat aus dem Aufzug und sah gleichzeitig auf die Uhr. Sie waren nicht allzuweit vom Präsidium entfernt - wenn Sendig wirklich sofort losgefahren war, dann mußte er jeden Moment eintreffen. Er wandte sich nach rechts und ging den hell erleuchteten Hausflur entlang. Hinter den meisten Türen brannte ebenfalls Licht, eine oder zwei standen auch offen. Bremer ignorierte sie, schritt schneller aus und erreichte schließlich die Tür, hinter der das Apartment des Selbstmörders liegen mußte.
    Ein vielleicht fünfzigjähriger dunkelhaariger Mann in Pantoffeln, Schlafanzug und einem hastig darübergeworfenen blauen Kittel kniete davor und machte sich mit ungeduldigen Bewegungen daran zu schaffen, wobei er unentwegt vor sich hin murmelte. Clausens Kollege - ein junger Bursche, der kaum älter sein konnte als Hansen, rothaarig war und dessen Name Bremer vergessen hatte - stand neben ihm, ebenso vergeblich wie tapfer bemüht, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Als er Bremer sah, machte sich ein erleichterter Ausdruck auf seinem Gesicht breit. Ganz offenbar hatte es ihm nicht besonders gefallen, hier oben allein gelassen zu werden. Kinder, dachte Bremer. Natürlich war es ein reiner Zufall, daß Clausen und er beide in dieser Nacht mit einem Anfänger auf Streife gefahren waren, aber das änderte nichts daran, daß man Kinder nicht in eine Uniform stecken und auf die Menschheit loslassen sollte; ebensowenig wie die Menschheit auf sie. Bremer war schon immer dieser Meinung gewesen. Der Ausdruck in Hansens Augen vorhin harte ihn darin nur bestärkt.
    Er nickte dem jungen Beamten flüchtig zu und wandte sich sofort an den Mann im Pyjama. »Sie sind der Hausmeister hier?«
    Der andere sah auf und kniff das linke Auge zusammen. »Ihr Kollege -«
    »Ich habe ihn abgelöst«, unterbrach ihn Bremer. »Wie ist Ihr Name?«
    »Schraiber«, antwortete der Hausmeister. »Mit a-i. Hab' gar nicht gemerkt, daß Ihr Kollege weggegangen ist. War viel zu sehr mit diesem Scheißschloß hier beschäftigt. So was hab' ich noch nicht erlebt, das können Sie mir glauben. Und ich bin jetzt seit zwanzig Jahren in diesem Job. Hab' immer gedacht, es gibt kein Schloß, das ich nicht aufkriege. Aber das...«
    Er schüttelte heftig den Kopf und wandte sich wieder dem Schloß zu, das im Grunde ganz harmlos aussah. Zumindest auf den ersten Blick schien es sich um nichts anderes als ein ganz normales Sicherheitsschloß zu handeln, das in einer ganz normalen Teakholztü r eingebaut war. Was diesen Ein druck vielleicht ein bißchen störte, waren die zahlreichen Kratzer, die die Tür rings um das Schloß herum verunzierten, und das halbe Dutzend abgebrochener Schraubenzieher, Bohrer und Dietriche, die vor den Knien des Hausmeisters ver streut waren. In den Kratzern schimmerte es silbern. Unter dem Teakholzfurnier verbarg sich massives Metall.
    »Sind alle Türen in diesem Haus so stabil?« fragte Bremer.
    »Stabil?« Schraiber lachte schrill und versuchte zum dritten Mal vergeblich, die Schneide eines Stechbeitels zwischen Tür und Rahmen zu schieben. »Scheiße, nein. Eigentlich sind sie aus besserer Pappe. Ist ein Wunder, daß hier nicht öfter eingebrochen wird, wissen Sie. Sie brauchen nur dagegenzufurzen, und sie fallen um.«
    Bremer warf einen fragenden Blick ins Gesicht seines rothaarigen Kollegen und erntete die Andeutung eines Schulterzuckens und eine Grimasse.
    »Dann wurde diese Tür also nachträglich eingebaut?« vergewisserte er sich.
    »Worauf Sie einen lassen können. Ich hab's nicht mal gemerkt. Und dabei vergeht kein Tag, an dem ich nicht eine Runde durch das Haus drehe. Weiß der Teufel, was in Löbach gefahren ist.«
    »Löbach?«
    »Doktor Löbach«, sagte Schraiber, schlug mit der flachen Hand auf den Griff des Stechbeitels und fluchte, als er sich dabei die Hand prellte und die Schneide des Werkzeugs mit einem trockenen Knacken abbrach. »Er wohnt hier.«
    »Seit wann?« Bremer hob

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