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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vollkommen unpassenden Trenchcoat, und wenn schon nicht seine Kleidung, so machte spätestens sein Gesichtsausdruck klar, daß Bremer und er zumindest eines gemeinsam hatten: Sie beide hatten sich den Verlauf dieses Abends anders vorgestellt.
    »Herr Kommissar?« Bremer trat dem Kriminalbeamten einen Schritt entgegen und war nicht einmal besonders erstaunt, als Antwort nur einen eisigen Blick zu ernten. Sendig stürmte einfach an ihm vorbei, blieb einen halben Schritt vor Löbachs Apartment abrupt stehen und maß die Tür mit einem raschen, aber sehr aufmerksamen Blick.
    »Ist es Löbach?« fragte er.
    »Dr. Löbach, richtig.« Bremer mußte sich zusammenreißen, damit Sendig ihm die Überraschung nicht zu deutlich anmerkte. Natürlich konnte Sendig den Namen des Toten von Clausen wissen, aber er hatte eindeutig in einem Ton gesprochen, als ob er diesen Mann tatsächlich kannte. »Ein Physiker, glaube ich.«
    »Chemiker, aber sonst stimmt's.« Sendig drehte sich mit einem Ruck zu ihm herum und deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Was ist mit der Tür? Wieso ist sie noch nicht auf?«
    »Es gibt ein paar Schwierigkeiten«, gestand Bremer. »Der Ha usmeister bekommt sie nicht auf «
    »Ist nicht meine Schuld«, verteidigte sich Schraiber. »Das Scheißding ist so stabil wie ein Geldschrank. Er hätte so was gar nicht einbauen lassen dürfen ohne Erlaubnis.«
    »- aber ich habe bereits einen Schlosser angefordert«, schloß Bremer. »Er müßte bald hier sein.«
    »Wollen wir's hoffen.« Sendig kramte eine einzelne Zigarette aus der Manteltasche und steckte sie zwischen die Lippen, aber er schüttelte den Kopf, als Bremer ihm Feuer geben wollte.
    »Danke, nein. Ich versuche gerade, es mir abzugewöhnen. Haben Sie schon mit den Leuten hier im Haus gesprochen?«
    Bremer entfernte sich ein paar Schritte von Sendig und dem Hausmeister, hob das Funkgerät und erkundigte sich in der Zentrale nach dem Verbleib des Schlossers. Er bekam genau die erwartete Antwort: nämlich erstens, daß der Mann unterwegs sei, und zweitens einen Hinweis auf die vorgerückte Stunde, zu der selbst in einer Weltstadt wie Berlin die allermeisten Schlosser in ihrem Bett lagen und schliefen. Er gab die Hälfte dieser Antwort an Sendig weiter und beeilte sich dann, dem Beispiel seines jüngeren Kollegen zu folgen und die Nachbarn zu befragen.
    Während der nächsten halben Stunde klingelte Bremer an einem knappen halben Dutzend Türen. Er erfuhr eine Menge über Dr. Klaus Löbach - und zugleich sehr wenig. Nirgends mußte er lange um Einlaß bitten. Sämtliche Bewohner des Hauses schienen ohnehin wach zu sein, und nur die wenigsten versuchten überhaupt, ihre Neugier zu verhehlen. Die meisten Türen wurden geöffnet, noch ehe er die Hand nach dem Klingelknopf ausstreckte, und er bekam bereitwillig Auskunft. Allerdings stellte sich rasch heraus, daß es nicht besonders viel gab, was man ihm über den Bewohner des Apartments achthundertundsiebzehn sagen konnte. Mit Ausnahme seines Namens und der Tatsache, daß er als Chemiker bei irgendeiner großen Firma in der Stadt arbeitete, schien niemand etwas über Löbach zu wissen. Der Mann hatte keinen Kontakt zu seinen Nachbarn gepflegt, war jedem Gespräch aus dem W eg gegangen und hatte die meiste Zeit nicht einmal gegrüßt. Ein Eigenbrötler, der viel auf Achse war und manchmal für Wochen nicht nach Hause kam und der den meisten hier ein bißchen unheimlich gewesen war. Allerdings auch kein Exzentriker. Bremers obligatorische Frage, ob irgend etwas in letzter Zeit auf das hingedeutet hätte, was jetzt geschehen war, wurde stets verneint.
    Ein paar Minuten nach zwei kam endlich der Schlosser. Dem Mann war anzusehen, daß ihn das Telefon aus dem tiefsten Schlaf gerissen hatte, und er machte aus seiner Verärgerung darüber keinen besonderen Hehl. Er schleppte nicht nur einen großen Werkzeugkoffer, sondern auch ein komplettes Schweißgerät mit sich, dessen Gasflaschen in schreiendem Signalrot gespritzt waren und die Abmessungen von Sauerstoffflaschen hatten, wie sie Taucher benutzten. Bremer unterdrückte mühsam ein schadenfrohes Grinsen, als der Mann das zentnerschwere Gerät mit einem Knall so dicht vor Sendigs Füßen ablud, daß der Kommissar sich mit einem hastigen Sprung in Sicherheit brachte.
    Bremer hatte auf seiner Hälfte des Flures noch zwei Türen abzuarbeiten, aber er war ziemlich sicher, daß er auch dort nicht mehr über Dr. Löbach erfahren würde als bei den anderen, und da Sendig

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